Danke für dein Interesse an der Fossil Free Kampagne. Wir können sicherlich nicht alle Fragen beantworten, aber einige, die uns öfter begegnen, haben wir hier zusammengetragen:
Wenn du dein Geld anlegst, kaufst du vielleicht Aktien, Anleihen oder andere Investments, aus denen du ein Einkommen beziehst. Universitäten (und Colleges in den USA) sowie religiöse Körperschaften, Pensionsfonds und andere Institutionen legen Milliarden in gleichartige Geldanlagen an. Mit dem Einkommen daraus finanzieren sie ihren Unterhalt.
Divestment ist das Gegenteil von Investment. Es bedeutet schlicht, dass unethische oder moralisch fragliche Aktien, Anleihen oder Investmentfonds abgestoßen werden. Investitionen in Kohle, Öl und Gas sind ein Risiko für Investierende und den Planeten zugleich – deshalb rufen wir Institutionen dazu auf, aus den entsprechenden Unternehmen zu deinvestieren.
In der jüngeren Geschichte gab es eine Handvoll erfolgreicher Divestment-Kampagnen, darunter Darfur, Tabak und andere. Die größte und wirkungsvollste gab es jedoch im Zusammenhang mit der Apartheid in Südafrika. Gegen Ende der 1980er Jahre hatten 155 Hochschulen – darunter einige der weltberühmtesten – aus Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Südafrika deinvestiert. In den USA zogen 26 Bundesstaaten, 22 Countys und 90 Städte ihr Geld aus multinationalen Konzernen ab, die Geschäfte in dem Land machten. Die südafrikanische Divestment-Kampagne trug mit dazu bei, die Apartheid-Regierung zu Fall zu bringen und eine Ära der Demokratie und besseren Gleichstellung einzuläuten
Wir fordern die Verantwortlichen von Institutionen auf, Neuinvestitionen in Kohle-, Öl- und Gaskonzerne mit sofortiger Wirkung einzustellen und sich binnen 5 Jahren von direkten und indirekten Beteiligungen aller Anlagekategorien einschließlich börsennotierter Aktien und Unternehmensanleihen zu trennen.
Darüber hinaus empfehlen wir den vollständigen Ausschluss JEGLICHER Investitionen in Kohle, Öl und Gas. Uns ist jedoch klar, dass es schwierig sein kann, alle Verflechtungen mit der Branche zu durchschauen. Daher empfehlen wir, sich an die Liste der 200 größten kapitalmarktorientierten Unternehmen zu halten. Darin sind die allermeisten börsennotierten Kohle-, Öl- und Gaskonzerne nach der Größe ihrer Reserven gelistet.
Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, findet bei unserem Partner Urgewald ein neu entwickeltes Divestment-Instrument: die Global-Coal-Exit-Liste coalexit.org. Diese Liste ist im Prinzip ein „Who-is-who“ der globalen Kohlebranche und der Versuch, die verschiedenen Unternehmensarten im Kohlesektor abzubilden. Deren Bandbreite reicht von Firmen, die Kohleförderanlagen bauen, Kohlebergwerke erschließen und betreiben und Eisenbahnstrecken und Hafenanlagen für den Kohlevertrieb errichten, bis hin zu Unternehmen, die Kohlekraftwerke und Anlagen zur Kohleverflüssigung oder -vergasung betreiben oder die neue Kohlekraftwerke entwickeln und ausrüsten. Ziel der Liste ist es, die Schlüsselakteure entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Kraftwerkskohle auszumachen. Sie soll Banken und Investoren anspornen, dafür zu sorgen, dass ihr Geld aus der gesamten Branche abgezogen wird.
Es ist wichtig, Infrastrukturprojekte für fossile Brennstoffe zu stoppen. Kohlekraftwerke verursachen Asthma und verpesten Luft und Wasser mit Quecksilber, Fracfluide können ins Grundwasser sickern und Menschen krank machen, Pipelines können lecken und so weiter. Wir können und sollten uns mit denen solidarisieren, die von Projekten wie z. B. der Keystone-XL-Pipeline, die Dörfer und den Planeten zerstören und zum Klimawandel beitragen, direkt betroffen sind und versuchen, diese zu stoppen.
Aber wir können die Erderwärmung nicht durch den Stopp einer Pipeline, eines Kohlekraftwerks oder einer Frackingbohrung nach der anderen aufhalten – es gibt einfach zu viele davon. Während wir intensiv daran arbeiten, diese schädlichen Projekte zu stoppen, müssen wir gleichzeitig den enormen Einfluss brechen, den die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne auf Regierungen und Finanzmärkte haben. Nur so bleibt uns noch eine Chance, auf einem Planeten zu leben, der noch irgendeine Ähnlichkeit mit dem von heute aufweist. Es wird Zeit, dass wir das Problem an der Wurzel packen, d. h. dass wir die Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft angehen und mit ihnen in einer Sprache sprechen, die sie verstehen: ihre Aktienkurse.
Firmen wie ExxonMobil, Shell oder BP verfügen über Milliarden Dollar/Euro. Wie sollen ein paar Institutionen, Pensionskassen und Kirchen durch das Divestment ihrer Gelder dagegen ankommen?
Divestment ist nicht in erster Linie eine wirtschaftliche Strategie, sondern eher eine soziale und politische. Genau wie in der Bürgerrechtsbewegung in den USA oder im Kampf gegen die Apartheid in Südafrika gilt: Je mehr wir es schaffen, den Klimawandel zu einer Gewissensfrage zu machen, desto mehr drängen wir die Gesellschaft dazu, etwas zu unternehmen. Wir müssen eines deutlich machen: Wenn es falsch ist, den Planeten zu zerstören, dann ist es auch falsch, von seiner Zerstörung zu profitieren. Gleichzeitig entsteht durch Divestment politische Macht, da die bedeutendsten Institutionen und Persönlichkeiten (von denen viele einem Universitätspräsidium angehören) im Land gezwungen werden, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden. Divestment stößt eine große Diskussion an und bekommt – wie in dieser Kampagne schon zu erkennen ist – besondere Aufmerksamheit in den Medien, was dem Thema weiteren Schub verleiht.
Zugleich zeigen sich gewisse ökonomische Auswirkungen. Dass sich mehrere Hundert Institutionen, die zusammen über 5 Billionen Dollar an Vermögenswerten verwalten, zum Divestment verpflichtet haben, bereitet einigen Kohlekonzernen schon jetzt Probleme. Rechnet man dann noch die Investitionen von Religionsgemeinschaften und globalen Pensionsfonds dazu, sind wir auf dem besten Weg, ExxonMobil, Shell und Peabody den kalten Schweiß auf die Stirn zu treiben.
Der Verkauf von Aktienpaketen hat vielleicht keine unmittelbaren Auswirkungen auf einen Energiekonzern, insbesondere nicht auf einen so riesigen wie Exxon, aber er sät doch die ersten Zweifel am Geschäftsmodell dieser Branche, und zwar aus folgendem Grund: Um die Erderwärmung auf unter 2 °C zu beschränken – ein Ziel, auf das sich fast alle Staaten der Erde geeinigt haben –, muss die Kohle-, Öl- und Gasindustrie laut Berechnungen der Internationalen Energieagentur ca. 90 % ihrer Vorkommen im Boden lassen. Diese Reserven liegen zwar physisch unter Tage, ökonomisch sind sie jedoch bereits gefördert und in den Aktienkursen aller Kohle-, Öl- und Gaskonzerne berücksichtigt. Weltweit beträgt der Wert dieser Vorkommen etwa 20 Billionen US-Dollar — Geld, das abgeschrieben werden muss, wenn sich die Regierungen endlich entschließen, Regelungen für Schadstoffe auch auf Kohlendioxid anzuwenden. Wenn Institutionen ihre Investitionen in fossile Energien abstoßen, dann stärken sie damit nicht nur die Argumente für ein Eingreifen von Regierungsseite, sie stoßen auch die wichtige Diskussion über die nun wertlos gewordenen Vermögenswerte – die sog. „Stranded Assets“ – der Kohle-, Öl- und Gasindustrie an.
Ein weiterer Effekt von Divestment ist die beschleunigte Umschichtung von Geldern in erneuerbare Energien, kommunale Entwicklung und andere nachhaltige Investitionen. Selbst wenn nur ein Bruchteil der abgezogenen Investitionen in neue Geldanlagen wie Solaranleihen, Umlaufkreditfonds und fortschrittliche Energiebranchen fließt, wird dies enorme Auswirkungen haben. Was noch wichtiger ist: Wenn weltweit führende Institutionen beginnen, in diese Richtung umzuschwenken, werden andere Investoren – ob Einzelpersonen oder Pensionsfonds – eher bereit sein, ihnen zu folgen. Die Investitionen von Institutionen reichen für eine Revolution der erneuerbaren Energien nicht aus – weshalb wir weiterhin Regierungen zum Handeln drängen –, sind aber wichtig für die Motivation zu solchen Investitionen.
Wir alle tragen zum Verbrauch fossiler Brennstoffe bei und wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, um unseren eigenen Verbrauch zu reduzieren. Doch die wahren Übeltäter – diejenigen, die das System manipulieren – sind die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne. Die Reserven der 200 größten Kohle-, Öl- und Gaskonzerne machen einen erheblichen Prozentsatz des gesamten Weltmarkts aus. Diese Unternehmen haben überall auf der Welt zufälligerweise auch den größten politischen Einfluss – sie formulieren Gesetze und erhalten weltweit mindestens 775 Mrd. bis 1 Billion US-Dollar an Subventionen (1).
Es gibt noch viele weitere Unternehmen, die indirekt zum Klimawandel beitragen – multinationale Konzerne, die die Tiefbohrtechnik herstellen, Öl-Pipelines legen oder Kohle transportieren und natürlich Stromkonzerne, die Energie kaufen und handeln. Aber im Moment konzentrieren wir uns auf diese 200 Unternehmen. Eine vollständige Liste der Unternehmen und ihrer Reserven von Fossil Free Indexes.
Die 5 größten Kohlekonzerne (2017)
- Coal India
- Shaanxi Coal Industry
- Adani Enterprises
- China Shenhua Energy
- Inner Mongolia Yitai Coal
Die 5 größten Öl- und Gaskonzerne
- Gazprom
- Rosneft
- PetroChina
- ExxonMobil
- British Petroleum (BP)
(1) http://priceofoil.org/fossil-fuel-subsidies/
Nein – wir bei 350.org sind auch keine Finanzmarktprofis, wir haben jedoch mit vielen Divestment-Fachleuten gesprochen und sie haben uns ein paar Tipps gegeben. Es ist nützlich, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen von ortsansässigen Wirtschaftsfachleuten, Brokerinnen oder Finanzanalysten parat zu haben, aber es geht auch ohne. Am Hauptsitz von 350.org arbeitet eine ganze Gruppe, die gern Fragen beantwortet und weiterhilft – sie ist unter hello@350.org zu erreichen.
Was man von den Verantwortlichen in Institutionen häufig zu hören bekommt, ist: „Wir können nicht deinvestieren, da wir nicht einmal wissen, wie unser Geld angelegt ist – und selbst wenn wir es wüssten, könnten wir diese Informationen nicht veröffentlichen, da dies unsere Gewinne schmälern würde.“
Nun, hier kannst du deine Trumpfkarte ausspielen. Es mag zwar stimmen, dass die Verantwortlichen nicht jederzeit wissen, welche Aktien oder Anleihen sie besitzen, dennoch sind sie es, die Vermögensverwalter*innen einstellen und somit entscheiden, wo ihr Geld investiert wird und wo nicht. Wenn sie wirklich Investitionen in Kohle, Öl und Gas abstoßen wollten, müssten sie lediglich eine entsprechende Weisung erteilen!
Eins zu null für dich!
Manchmal kann es sinnvoll sein, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass die Verantwortlichen ihre Investitionen geheim zu halten versuchen; lass dich dadurch jedoch nicht von der Tatsache ablenken, dass sie die Entscheidung treffen und nicht die Vermögensverwaltung. Beugen sich Direktion und Vorstand der Divestment-Kampagne, geht es im Folgenden vor allem um die Herstellung von Transparenz, damit sie und die Vermögensverwaltung zur Rechenschaft gezogen werden können, ob sie ihr Divestment-Versprechen auch umsetzen.
Es stimmt zwar, dass Kohle-, Öl- und Gaskonzerne in der Vergangenheit extrem profitabel waren (so erzielten die fünf größten Ölfirmen 2011 einen Gewinn von 137 Mrd. US-Dollar bzw. 375 Mio. US-Dollar pro Tag), die Geldanlagen sind aber auch sehr riskant und die Gewinne seit 2011 allgemein rückläufig (1).
Das Geschäftsmodell der Kohle-, Öl- und Gaskonzerne beruht darauf, dass sie sechsmal mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, als unsere Zivilisation aushalten kann, was bedeutet, dass ihre Aktienkurse sechsmal höher sind, als realistisch wäre. Außerdem sind die Energiemärkte durch Katastrophen wie den Untergang der Exxon Valdez oder die BP-Ölpest im Golf von Mexiko und durch extreme Ausschläge bei Angebot und Nachfrage im Bereich Kohle, Öl und Gas besonders volatil und daher riskant.
Unzählige Berichte haben gezeigt, dass Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und andere nachhaltige Technologien mit Geldanlagen in fossile Brennstoffe mithalten können (1). Hier finden Institutionen einen wachsenden Markt und sichere Investitionschancen (2).
Außerdem gibt es viele Möglichkeiten, das umgeschichtete Geld vor Ort anzulegen und so die lokale Entwicklung zu fördern und gute Arbeitsplätze zu schaffen. Projekte wie Energieeffizienz und Photovoltaik-Dachanlagen zeichnen sich zwar durch hohe Vorlauf- und Lohnkosten aus, Institutionen sparen durch sie jedoch langfristig, da u. a. die Strom- und Heizkosten beträchtlich sinken.
(1) http://www.investopedia.com/articles/markets/070814/why-you-should-invest-green-energy-right-now.asp
(2) https://beta.theglobeandmail.com/globe-investor/funds-and-etfs/etfs/larry-berman-buy-the-news-its-time-to-invest-in-clean-energy/article35187181/?ref=http://www.theglobeandmail.com&
Es ist gut, für klimafreundliche Beschlüsse zu stimmen, aber das Problem wird dadurch nicht gelöst. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge müssen wir etwa 90 % der aktuellen Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden lassen, um die Erderwärmung auf unter 2 °C zu beschränken. Dieses Ziel ist zwar erreichbar, aber keine Aktionärsgruppe würde dem jemals freiwillig zustimmen. Wir sollten uns nicht täuschen lassen: Exxon könnte als Energiekonzern weiterhin Gewinne machen, wenn dessen riesiges Vermögen und Fachkenntnisse auf erneuerbare Energien umgeschichtet würden. Dies wird jedoch nicht freiwillig geschehen, sondern nur, wenn das Unternehmen gesetzlich dazu gezwungen wird.
Deshalb ist es Zeit zu deinvestieren. Wir müssen die moralische Herausforderung unserer derzeitigen Situation deutlich machen: Die Kohle-, Öl- und Gasindustrie zerstört den Planeten und es ist unmoralisch, von dieser Zerstörung zu profitieren. Divestment ist eine gut sichtbare und wirksame Aktion, die staatliches Handeln fördert und außerdem das wirtschaftliche Argument stärkt, dass wir unser Geld lieber in die Lösung investieren sollten als in das Problem. Hätten wir diese Kampagne vor 30 Jahren begonnen, wären Aktionärsbeschlüsse eher sinnvoll gewesen. Da uns aber nun die Zeit davonläuft, müssen wir rasch und mutig handeln. Divestment ist vielleicht unbequem, aber es ist der richtige Schritt – es wird mehr bewirken als alle Aktionärsbeschlüsse, die wir jemals durchbringen könnten.
Du kannst hier nach einer Divestment-Kampagne bei dir vor Ort suchen. Wenn du eine Kampagne findest, an der du dich beteiligen möchtest, melde dich an und nimm über das E-Mail-Icon neben dem Namen Kontakt auf.
Nichts los in deiner Nähe? Starte doch einfach selbst eine Kampage. Kampagnen können ganz unterschiedlich aussehen, dieser Leitfaden kann dir den Anfang erleichtern.
Was dann kommt, wird nicht immer besonders spannend sein. Manche von euch werden vielleicht im Gefängnis landen, bevor alles vorbei ist. Die Arbeit im Vorfeld ist jedoch hart und langwierig – sie umfasst Meetings, Petitionen, Demos und alles, was man als Organisator*in auf einem Campus, in einer Stadt, in einer Gesellschaft oder auf einem Planeten eben so zu tun hat. Manches davon wird unangenehm sein – zum Beispiel, nette Leute und Institutionen zu Verhaltensänderungen aufzufordern. Aber dies ist der Kampf unseres Lebens und wir stehen bei jedem Schritt hinter dir.
Während sich lokale Divestment-Kampagnen an Institutionen im ganzen Land wenden, nehmen parallel dazu Einzelpersonen die Sache selbst in die Hand und ziehen ihr Privatvermögen aus den fossilen Brennstoffen ab. Und das ist großartig!
Kohle-, Öl- und Gaskonzerne sind aktuell überbewertet, und da die Regulierung von CO2-Emissionen weltweit zunimmt, kann Divestment nicht nur eine gute Sache, sondern auch eine sinnvolle langfristige Anlagestrategie sein. Unsere Partner*innen bei Divest-Invest haben diese Unterlagen hier zusammengestellt. Sie können helfen herauszufinden, ob persönliches Divestment aus fossilen Brennstoffen sinnvoll ist: http://divestinvest.org/how-to-divestinvest/individuals/
Wichtig: Die Fossil-Free-Kampagne und 350.org geben keine Anlageempfehlungen, sondern stellen lediglich Informationen über mögliche Alternativen zu Investitionen in Kohle, Öl und Gas bereit. Einzelpersonen sollten stets alle Anlagemöglichkeiten auf persönliche Eignung prüfen.
Die Zahl 350 steht für Klimasicherheit: Um einen bewohnbaren Planeten zu bewahren, müssen wir nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Menge an CO₂ in der Atmosphäre vom derzeitigen Niveau von 400 ppm (parts per million) auf unter 350 ppm senken.
Aus der immer schnelleren Erwärmung der Arktis und anderen frühen Klimafolgen schließen Wissenschaftler*innen, dass wir uns mit den derzeitigen 400 ppm bereits jenseits des sicheren Bereichs befinden. Wenn wir nicht noch in diesem Jahrhundert zu weniger als 350 ppm zurückkehren, laufen wir Gefahr, dass Kipppunkte erreicht werden und Klimafolgen wie das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes und das Freiwerden großer Mengen Methan durch auftauende Permafrostböden unumkehrbar werden.
Weitere wissenschaftliche Informationen zu 350 unter 350.org/science
So gut wie alle Regierungen der Welt haben sich letztes Jahr in Paris verpflichtet, die Erderwärmung auf „deutlich unter 2 °C” zu begrenzen, möglichst auf 1,5 °C. Es ist bekannt, dass zwischen diesen Zielen und den derzeitigen Aktionsplänen der Regierungen eine riesige Lücke klafft. Aber was müsste geschehen, um diese Ziele einzuhalten und zu vermeiden, dass der Klimawandel außer Kontrolle gerät?
Kohlendioxid, das wir noch emittieren können, wenn die Erderwärmung auf maximal 1,5 °C begrenzt werden soll: 200 Gt CO₂
… aber es besteht eine gewisse Unsicherheit, ob nicht sogar das zu viel wäre
Szenarien für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zufolge dürfen wir ab 2016 noch maximal 200 Gigatonnen CO₂ (IPCC), vielleicht weniger, in die Atmosphäre entlassen. Derzeit emittieren wir rund 40 Gt CO₂ pro Jahr (durch fossile Brennstoffe und Landnutzungsänderung).
Die Wissenschaft spricht schon gar nicht mehr von einer Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 °C. Sie spricht von einer Wiederabsenkung der Erderwärmung auf unter 1,5 °C. Alle 1,5-Grad-Szenarien gehen davon aus, dass die Erwärmung zunächst auf bis zu 1,7 °C steigen wird, bevor eine erneute Abkühlung eintritt.
Diese „Absenkung” soll teilweise durch Kohlendioxidrückhaltung und Speicherung erreicht werden, auch bekannt unter der Bezeichnung CO₂-Abscheidung und Sequestrierung (CCS). CCS ist derzeit weder ohne Weiteres verfügbar noch wirtschaftlich rentabel. Aber selbst wenn man in einem Best-Case-Szenario von der Nutzung der CCS-Technologie ausgeht (fast 3.800 CCS-Projekte bis 2050), würden der Atmosphäre dadurch erst ab 2030 Emissionen entzogen, womit das CO₂-Budget nur um etwa 125 Gt überschritten würde (Quelle: Carbon Tracker, Unburnable carbon 2013)).
Mit anderen Worten: Soll das 1,5-Grad-Ziel wenigstens noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % erreicht werden, ist unser restliches CO₂-Budget gerade in etwa aufgebraucht. Ab sofort müssten wir jede Tonne CO₂, die wir emittieren, abscheiden.
Kohlendioxid, das wir noch emittieren können, um die Erderwärmung auf maximal 2 °C zu begrenzen: 470 Gt CO₂
Wollen wir auch nur die geringste Chance haben, das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen jetzt ihren Spitzenwert erreicht haben und ab sofort steil absinken. Soll die Chance mindestens 66 % betragen, dürfen wir ab 2015 nicht mehr als 470 Gt CO₂ emittieren (Quelle: Nature: Differences between carbon budget estimates unravelled). Dies ist die niedrigste Zahl aus mehreren Budget-Szenarien, die bis an 1020 Gt heranreichen. In ihr sind auch andere Treibhausgasemissionen wie zum Beispiel Methan berücksichtigt.
Du fragst dich, was das in der Praxis bedeutet? Es bedeutet ganz sicher: keine weiteren fossilen was auch immer. Keine weiteren Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, kein weiterer Abbau, keine weiteren Pipelines, keine weiteren Bohrgenehmigungen, keine weitere Finanzierung fossiler Brennstoffe. Es bedeutet auch, dass die Produktion fossiler Brennstoffe massiv reduziert werden muss.
Reserven der Kohle-, Öl- und Gaskonzerne: irgendwas zwischen 2.734 and 5.385 Gt CO₂
Dessen ungeachtet suchen die Unternehmen weiterhin nach noch mehr Kohle-, Öl- und Gasvorkommen für die Verbrennung.
Die CO₂-Mengen, die in den Reserven stecken, sind schwer zu beziffern. Sie werden von der Industrie selbst angegeben und unterliegen der wirtschaftlichen Machbarkeit, das heißt, dass erhebliche Mengen in der Kategorie „bestätigte Reserven” gar nicht auftauchen, z. B. wenn der Abbau teuer ist und der Ölpreis sinkt. Nach Berechnungen des IPCC (Sachstandsbericht 5 — Arbeitsgruppe 3, Seite 525) addieren sich die von den Kohle-, Öl- und Gaskonzernen derzeit gemeldeten Reserven auf einen Wert zwischen 2.734 und 5.385 Gt CO₂ — weit, weit mehr, als wir jemals verbrennen dürfen.
Als wir diese Berechnung 2012 angestellt haben, kamen wir zu dem Ergebnis, dass 80 % der fossilen Brennstoffvorkommen im Boden bleiben müssen. Angesichts des rasch schwindenden CO₂-Budgets und der zunehmenden fossilen Brennstoffreserven könnten 80 % zum jetzigen Zeitpunkt schon zu wenig sein.
Also was nun?
Die diversen Zahlen und Szenarien helfen beim Verständnis der wissenschaftlichen Realitäten, mit denen wir es zu tun haben, aber sie stellen keine genauen Eckwerte dar, sondern nur Orientierungspunkte.
Das Klimachaos ist bei vielen Menschen in verschiedenen Teilen der Welt längst angekommen und ein Anstieg der Erderwärmung um 1,5 °C bedeutet noch mehr Zerstörung, als schon jetzt zu erkennen ist.
Es sind die schon heute zu beobachtenden Klimafolgen, die jetzt dringende Maßnahmen erfordern. Dieses Thema können wir nicht auf die „zweite Hälfte des Jahrhunderts”, auf 2030, nicht mal auf 2020 verschieben. Wir müssen ganz einfach die fossilen Brennstoffe im Boden lassen, und zwar so viel wie möglich und ab sofort. Was wir heute tun entscheidet darüber, wie viel Kohlendioxid wir emittieren und wie schlimm der Klimawandel wird.
Wir haben wenig Grund zu hoffen, dass die Regierungen oder die Kohle-, Öl- und Gaskonzerne die dringend erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden. Menschen wie du und ich müssen handeln, damit die Kohle, das Öl und das Gas, die keinesfalls verbrannt werden dürfen, im Boden bleiben und die basisdemokratische Energiewende vollzogen wird, die in Reichweite ist. Und es sind diese Menschen wie du und ich, die sich zusammenschließen und Hoffnung machen.
Wenn du dich wegen all dieser Zahlen über CO₂-Budgets entmutigt fühlst, dann geh auf breakfree2016.org. Dort findest du Bilder von Menschen rund um den Erdball, die sich zu einer beispiellosen Welle verschärfter Großaktionen zusammentun und fordern, dass Kohle, Öl und Gas im Boden bleiben. Es gibt eine weltweite Widerstandsbewegung gegen fossile Brennstoffe. Sie will neue Projekte stoppen, vorhandene dichtmachen und Investoren bewegen, die Geldströme für diese Industrie zu kappen. Zugleich geht sie selbst voran und arbeitet am Auf- und Ausbau der Lösungen, die uns bereits zur Verfügung stehen. Soziale Bewegungen haben im Lauf der Geschichte enorme Veränderungen bewirkt, die am Anfang oft nicht für möglich gehalten wurden.
Wir wissen nicht, wie diese Geschichte für uns ausgehen wird. Aber wenn es jemals an der Zeit war zu kämpfen, dann ganz bestimmt jetzt. Seid mit dabei!