Als wir 2017 während des Klimagipfels in Bonn in die endlose Braunkohlegruppe blicken, springt uns oben auf dem berghohen Kohlebagger ein Schild vom Energiekonzern RWE ins Auge: ‚Braunkohle – sicherer Partner der Energiewende‘. Absurd! Können wir ernsthaft glauben, dass fossile Brennstoffe Energiewende und Klimaschutz unterstützen?

Anscheinend ja. Denn die fossile Gasindustrie bedient sich erfolgreich der gleichen Rhetorik, wenn sie Erdgas als “Brückentechnologie” für erneuerbare Energien und als umweltfreundlich darstellt. Gleichzeitig wird Gasinfrastruktur massiv ausgebaut: Überall in Europa werden neue Terminals gebaut, um mit Schiffen verflüssigtes Erdgas (LNG) aus der ganzen Welt zu liefern, dazu Pipelines und Gaskraftwerke. So wird beispielsweise gerade die EUGAL-Pipeline von der Ostsee bis zur tschechischen Grenze gebaut.

Doch vielerorts regt sich Widerstand. Vom schwedischen Göteborg über das norddeutsche Brunsbüttel bis nach Bajouca in Portugal sagen Klimaschützer*innen klar: „Nein! Erdgas ist nicht grün und wir brauchen es nicht!“. Hier sind wichtige Gründe dafür:

1) Fossiles Gas ist gefährlich fürs Klima

Fossiles Gas ist von einer Wolke grüner Rhetorik umgeben. Doch die Verbrennung von fossilem Gas ist keineswegs sauber, sondern produziert riesige Mengen an CO2.

Im Gegensatz zu Kohle hat fossiles Gas sogar noch ein weiteres Problem: Es besteht zu über 90 % aus dem starken Treibhausgas Methan. Dieses entweicht an allen Stellen der Gasinfrastruktur – von der Produktion über den Transport in Pipelines oder im Fall von Flüssiggas auf Schiffen. Methan ist aber auf 20 Jahre gerechnet sogar ca. 72-mal klimaschädlicher als Kohlenstoffdioxid.

Methan droht, unser Klima über seine Kipppunkte zu stoßen. Das sind Veränderungen im Klimasystem, die nicht rückgängig gemacht werden können, zum Beispiel das Schmelzen des Grönländischen Eisschildes oder das Absterben des Amazonas-Regenwaldes. Schlimmer noch: Durch sogenannte Rückkopplungsmechanismen wird die Erwärmung durch sie sogar noch mehr beschleunigt. Fossiles Gas ist ein gefährlicher Treiber der Klimakrise.Bild könnte enthalten: 3 Personen, Personen, die lachen, Menschenmasse und im Freien

Foto: Für eine klimagerechte Zukunft muss fossiles Gas im Boden bleiben

2) Gasförderung ist ungerecht

Der Verbrauch von Gas zementiert das ungerechte, ausbeuterische Modell fossiler Energieträger. Ob in den USA, Russland oder Mosambik: Überall wo fossiles Gas gefördert wird, tragen lokale Gemeinschaften die Schäden. Besonders die Förderung durch Fracking hat gesundheitliche Auswirkungen von Ausschlägen und Atemwegserkrankungen bis zu Krankheiten durch krebserregende Chemikalien. Gasförderung führt häufig zu Erdbeben und hinterlässt vergiftete Böden und Gewässer. Menschen aus den Fördergebieten verlieren dadurch ihre Lebensgrundlagen aus Landwirtschaft und Tourismus, ihre Landnutzungsrechte und sogar ihre Leben wie der indigene Aktivist Samir Flores. Gleichzeitig profitieren die betroffenen Gemeinschaften kaum von den Gewinnen der Industrie. Sie tragen vielmehr einseitig die Risiken. Für mehr Details gibt es hier einen virtuellen Pipeline-Spaziergang, der die sozialen und ökologischen Auswirkungen des sich aktuell im Bau befindlichen südlichen Gaskorrikors eindringlich erzählt.

3) Fossiles Gas ist keine Brücke für Erneuerbare

Fossiles Gas wird oft als notwendige Brückentechnologie auf dem Weg zu einer Zukunft mit Erneuerbaren Energien gehandelt. Dabei wird oft übersehen, dass fossiles Gas schon heute in Konkurrenz zu Erneuerbaren steht und deren Ausbau behindert. Die technischen Argumente, Erdgaskraftwerke würden zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität benötigt, sind zweifelhaft, da mit Speichertechnologien auch schwankende Stromerzeugung besser kontrolliert werden kann.

Besonders Flüssiggas (LNG) wird zur Möglichkeit für die fossilen Energieunternehmen wie RWE und Shell, ihre Marktmacht zu halten. Sie kontrollieren die bestehende Infrastruktur wie Pipelines und Kraftwerke; Erneuerbare Energien auf der anderen Seite sind auch dezentral und in kleinerem Maßstab möglich, wodurch den großen fossilen Unternehmen Macht und Profit verloren gehen würde.

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Foto: Gemeinsamer Protest gegen Kohle und Gas bei der Ende Gelände 2019

4) Neue fossile Gasinfrastruktur wird noch über Jahrzehnte zur Klimakrise beitragen

Die neue Infrastruktur wird noch auf Jahre für klimaschädliches Erdgas genutzt. Heute geplante, neue Gasinfrastruktur hat meist eine Laufzeit für viele Jahrzehnte, die das Pariser Klimaabkommen sprengen würden.. Um die 1,5 °C-Grenze des Abkommens einzuhalten müsste der Verbrauch von Kohle, Öl und Gas in den nächsten Jahren dramatisch reduziert werden. Stattdessen werden Milliarden in den Ausbau von Gasinfrastruktur gesteckt, die für den Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien genutzt werden könnte.

5) Gas ist der beste Freund der Kohle und der fossilen Industrie

Von den Philippinen bis Deutschland sorgt die Anti-Kohlebewegung dafür, dass der dreckige Brennstoff im Boden bleibt. Die fossile Gasindustrie nutzt dies für sich, baut einfach neue Kraftwerke und macht somit weiterhin Profit mit der Klimazerstörung. So will zum Beispiel die Stadt Leipzig bis 2023 aus der Kohle aussteigen und baut stattdessen … ein neues Gaskraftwerk.

Als Klimagerechtigkeitsbewegung müssen wir in Zusammenhängen denken und kämpfen: Wir wollen den sofortigen Kohleausstieg, aber keine scheinheiligen klimaschädlichen Lösungen. Raus aus der Kohle muss auch raus aus fossilem Gas bedeuten.

Die gute Nachricht: Die Anti-Gas-Bewegung wächst! Im schwedischen Göteborg blockierten Hunderte Aktivist*innen gerade erst ein LNG-Termina, in Italien und Spanien wehren sich Menschen gegen Gasprojekte und in Berlin bieten die Gastivists am 28. September eine Critical Mass Fahrradtour zur EuGAL-Pipeline an.

Nur eine starke Bewegung kann genug Druck aufbauen, damit fossiles Gas im Boden bleibt. Teile diesen Blog mit deinen Freund*innen!

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