Die Gruppe Fossil Free Münster bewirbt sich in diesem Jahr erneut für den Studierendenpreis der Uni Münster. Der Preis zeichnet Studierendeninitiativen und ihr besonderes Engagement aus. Mit dieser Bewerbung will die Fossil Free Münster Gruppe zeigen, dass sie das „Nein“ der Unileitung zu einem Divestment nicht akzeptiert und weiterhin den Abzug von Geldanlagen der Uni aus dem Kohle-, Öl- und Gassektor fordert.

Die Bewerbung

Die Gruppe „Fossil Free Münster“ ist seit Juli 2013 in Münster aktiv und setzt sich für Investitionen frei von fossilen Brennstoffen durch institutionelle Investoren ein. Dabei ist die Gruppe Teil einer weltweiten Initiative für effektiven Klimaschutz und setzt dabei auf Information, Vernetzung und kreative öffentlichkeitswirksame Aktionen. Besonderes Merkmal ist die Forderung nach einem konsequenten und öffentlich verlautbarten Ausstieg aus klimaschädlichen Finanzanlagen. Die Kampagne hat zum Ziel, den gefährlichen systemischen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg fossiler Brennstoff-Unternehmen und der kontinuierlichen Zerstörung des globalen Klimas aufzuzeigen. Sie wendet sich besonders an öffentliche Institutionen wie Universitäten, Kirchen und Gemeinden und erfährt weltweit Unterstützung (z.B. durch die Universität Stanford und die Städte Seattle und San – Francisco).

Der Startpunkt der Aktivitäten der bildete eine Informations- und Diskussionsveranstaltung bei dem der Film “Do the Math” gezeigt wurde, der eindringlich die Hintergründe des Klimawandels beleuchtet und Einblicke in die Klimabewegung in Nordamerika bietet. Kurz darauf gründete sich die Kampagnengruppe in Münster und startete eine Petition [1], welche die Stadt Münster zu einem Divestment ihrer Geldanlagen aufrief.

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Kampagnenstart und Veröffentlichung der Petition FF Münster Herbst 2013

Nach intensiver Zusammenarbeit mit der Energie-AG der Grünen Partei Münster wurde die Forderung nach Divestment im Mai 2014 in das Wahlprogramm aufgenommen. Die Forderungen wurden sogar auf ein insgesamt ethisch-ökologisches Portfolio erweitert. In den Anlagerichtlinien sollten nun auch Kinderarbeit, Atomwaffen u.ä. ausgeschlossen werden. Diese erreichten auch das Koalitionsprogramm zwischen SPD und Grünen und im Dezember 2014 beschloss der Stadtrat eine Prüfung des Divestments [2]durch die Kämmerei und Stadtkasse. Inzwischen sind die Bemühungen bei der Stadt so weit gediehen, dass schon im November eine finale Entscheidung durch den Haupt- und Finanzausschuss der Stadt zum Thema Divestment fallen wird. Diesen Erfolg hat die Fossil Free Münster Gruppe durch Durchhaltevermögen, gelungene Lobbyarbeit und stetes Aufrecherhalten von öffentlichem Druck erzielen können.

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Nächtliche Projektion auf das Rathaus Münster September 2015

Weltweit fordert die Kampagne Fossil Free den Verkauf von klimaschädlichen Unternehmensbeteiligungen, um einerseits die private Profitgenerierung durch massive Umweltzerstörung zu ächten, und um andererseits Handlungsspielräume und strukturelle Unabhängigkeit von dem Markterfolg solch riskanter Unternehmenspraktiken zu gewinnen.

Unter zutreffendem Verweis auf wissenschaftliche Befunde stellt die Kampagne heraus, dass die Freisetzung aller bekannten (und bereits bilanzierten) fossilen Brennstoffvorkommen einen weltweiten Emissionsumfang bedeutet, der die Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens 2° C gegenüber der vorindustriellen Zeit unmöglich macht. Somit ist aus derzeitiger Sicht das erklärte Ziel aller bislang verlautbarten Klimaschutzstrategien (UN, EU, Deutschland und viele andere Länder) ohne weitergehende Maßnahmen objektiv gesehen nicht zu halten.

Die Münsteraner Gruppe bemüht sich auf universitärer Ebene, die verschiedenen Fachbereiche einzubeziehen. So findet die Gruppe offizielle Unterstützung der Fachschaftenkonferenz und des AStAs. Seit September fordert auch das Studierendenparlament ein Divestment der Geldanlagen der WWU und des Studierendenwerks. Fossil Free Münster hält derzeit wieder eine Projektstelle inne: In Kürze wird der Divestment-Reader fertiggestellt sein, der sich inhaltlich mit den Themen Klimawandel und Carbon Bubble im Zusammenhang mit Divestment auseinandersetzt und ein breites akademisches Publikum erreichen soll. Nicht nur im Rahmen des Readers setzen sich die einzelnen Mitglieder kritisch mit dem komplexen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Gewinnstreben und globaler Erwärmung auseinander. Ein weiteres Beispiel ist eine Podiumsdiskussion zum Thema Postwachstum und Klimawandel im Mai 2014, die von mehreren 100 Zuhörern besucht wurde. Daneben haben sie Informations- und Diskussionsveranstaltungen an der Universität für Studierende der Universität und FH sowie für Externe organisiert. Zum Beispiel luden sie die Organisation urgewald e.V. gemeinsam mit Lucky Maisanye aus Südafrika ein, der darüber berichtete, was Kohleförderung und -verbrennung für die Menschen in seiner Region bedeuten. Die Organisation urgewald stellt mit ihren genauen Recherchen dar, inwieweit deutsche Banken und Versicherer diese Ressourcen- und Menschenausbeutung mit ihren Investitionen fördern. Die Studierenden zeichnen sich durch großes Engagement und couragiertes Auftreten aus. Ob bei den weltweiten Klimademonstationen des  Peoples Climate March [3] im September 2014 oder beim gemeinsamen Aktionstag der weltweiten Fossil Free Gruppen am Global Divestment Day [4]- mit bunten Demonstrationen und Flashmobs, weisen sie auf die Dringlichkeit der Klimakrise hin. Bei all diesen Aktivitäten setzt Fossil Free Münster auf den Dialog mit der WWU und der breiteren Öffentlichkeit.

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 Flashmob in der Innenstadt Münsters am Global Divestment Day - Februar 2015

Beispiele ihrer Kooperationsbereitschaft finden sich viele. Beharrlich suchten und fanden die Fossil Free Aktiven Kontakte zur Stadtverwaltung Münster (insb. zum Kämmerer Herrn Reinkemeier und seinen Mitarbeitern in der Stadtkasse), den Ratsparteien (insb. Otto Reiners Ratsmann für die Grünen in Münster) sowie den Münsteraner Hochschulen (eine Projektstelle bei der FH Münster zum Thema Divestment wurde eingerichtet und der Kontakt zum äußerst hilfreichen Energiemanagement der WWU ist unvergessen), um ihr legitimes Anliegen vorzubringen.

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 Ein Workshop zum Thema Kampagnenstrategie beim AStA der FH Münster

Auch genaue Recherchearbeit ist Fossil Free Münster ein wichtiges Anliegen. Sie haben sich über die Struktur öffentlicher Haushalte informiert und problematische Anlageformen benannt. Mit Hilfe von parlamentarischen Anfragen über die Grünen, Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz setzen sie ihre Tätigkeiten auf ein starkes Fundament. Zusäztlich bringen die Studierenden ihr wegweisendes Thema mit kreativen Protestformen, auch gegen Widerstände auf vorbildlich demokratischen Wegen ein. Schon durch diese demokratische Vorbildfunktion stellen sie eine wertvolle Bereicherung für die WWU und andere Studierende dar.

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Fossil Free Münster bei einer Intervention beim Sommerfest der WWU in 2014

Sie haben damit sowohl innerhalb der Universität als auch nach außen den Austausch über den zivilisationsgefährdenden Klimawandel erweitert und mit der Finanzmarktargumentation “Kohlenstoffblase” oder “Carbon Bubble” einen neuen, besonders relevanten, Aspekt in die hiesige Debatte eingebracht. Da etwa 80% der bekannten fossilen Brennstoffreserven im Boden verbleiben müssen, um eine Erderwärmung über 2°C zu verhindern, gehen inzwischen die Finanzmärkte von einer krassen Überbewertung fossiler Unternehmen [5] aus und sprechen von einer neuen Finanzblase.

In einem erweiterten Sinne setzen sie sich heute für die Zukunftsfähigkeit kommender Studierendengenerationen in einer außerordentlichen Art und Weise ein. Durch die Auszeichnung mit dem Studierendenpreis 2015 sollen die Studierenden in ihrem Engagement und in ihrer Beharrlichkeit bestärkt werden. Insbesondere als Vertreter der jungen Generation werden sie persönlich von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein. Deshalb ist es umso wichtiger, sie bei ihrem legitimen Wunsch nach schnellen und wirksamen Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen. Durch die Auszeichnung zeigt die WWU als Einrichtung der Wissenschaft, dass sie fundierte Kritik und gute, zwingende Argumente Ernst nimmt und die Fähigkeit besitzt, im vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung beschriebenen Transformationsprozess der Gesellschaft selbst als proaktive Akteurin voranzugehen. Gleichzeitig dokumentiert sie als Bildungsinstitution ihre Solidarität mit der jungen Generation und ihrer existenziellen Forderung nach einem intakten globalen Klima.

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Links

[1] https://campaigns.gofossilfree.org/petitions/stadt-munster-investitionen-raus-aus-fossilen-brennstoffen

[2] http://reinhardbuetikofer.eu/wp-content/uploads/2014/12/2014_11_12_ratsantrag-gruen-spd_divestment_entwurf001.pdf

[3] https://www.youtube.com/watch?v=tWgALnxc8D4

[4] https://gofossilfree.org/de/wrap-up/

[5] http://www.ft.com/intl/cms/s/0/629f9a52-2283-11e2-b606-00144feabdc0.html

 

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