März 6, 2014

Neuer europäischer Bericht: Investitionsstopp in fossile Energieträger drängt

Ein neuer Bericht, der gestern in Brüssel veröffentlicht wurde, wirft ein Schlaglicht auf das wachsende Risiko, das von der „Carbon Bubble” [1] ausgeht, einer gewaltigen Kohlenstoffblase aus Investitionen in die fossile Industrie, die für Milliardenverluste sorgen könnte. Der Bericht belegt, dass es dringend nötig ist, Investitionen aus den fossilen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas abzuziehen. Er gibt der wachsenden „Divestment”-Bewegung, die das Ende von fossilen Investitionen fordert, Aufwind.

Die Grünen/ Europäische Freie Allianz (EFA Gruppe) im Europäischen Parlament hatten eine Studie in Auftrag gegeben, um die Kohlenstoffblase der 43 wichtigsten europäischen Banken und Pensionskassen zu untersuchen und ihre Gefährdung einzuschätzen, wenn diese Finanzblase platzt. Die Ergebnisse der Studie The Price of Doing Too Little Too Late: The impact of the carbon bubble on the EU financial system (zu Deutsch: Der Preis dafür zu wenig zu spät zu tun: Die Auswirkungen der Kohlenstoffblase auf das Finanzsystem der EU) [2] wurden gestern auf einer Konferenz in Brüssel vorgestellt [3]. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass ein schneller und entschiedener Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft mit ehrgeizigen Energie- und Klimazielen erforderlich ist, um das Risiko der Kohlenstoffblase kosteneffizient zu begrenzen.

Die Studie hebt mehrere Institutionen und dazugehörige Staaten hervor, die durch die Carbon Bubble gefährdet sind. Dies trifft insbesondere auf Frankreich zu, wo zwei der größten europäischen Banken (Société Général und BNP Paribas) eine relativ hohe Gefährdung aufweisen, sowie auf Großbritannien und die Niederlande, da dort die Rentenkassen einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Der Studie zufolge sind Pensionskassen im Allgemeinen stärker durch die Kohlenstoffblase gefährdet als die Bankenbranche. Die Gesamtbelastung der europäischen Finanzinstutionen durch kohlenstoffreiche Anlagen beläuft sich konservativen Schätzungen zufolge auf über eine Billion Euro.

Reinhard Bütikofer, Sprecher der Grünen/ EFA für Industriepolitik im Europäischen Parlament, fügt hinzu: „Eine neue von uns in Auftrag gegebene Studie zeigt deutlich die potentiellen Einbußen für Europas 20 wichtigste Banken und 23 wichtigste Rentenfonds, wenn die Kohlenstoffblase platzt. Das Ergebnis ist ernüchternd. Wir haben herausgefunden, dass die Kohlenstoffblase mit über einer Billion Euro, die in kohlenstoffreiche Anlagen investiert wurden, ein bedeutendes Risiko insbesondere für die Mitgliedsstaaten der EU und ihre finanziellen Institutionen darstellt. Investitionen in Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie könnten bald zu Katzengold werden. Die Strategie der EU, einfach weiter zu machen wie bisher, zieht größere Risiken und Kosten für unser Finanzsystem nach sich. Dies sollte ein Weckruf sein.“

Zusätzlich empfiehlt die Studie unter anderem größere Transparenzverpflichtungen für kohlenstoffreiche Kapitalanlagen, entsprechende Stresstests, Untersuchungen zu der Treuhänderpflicht von Rentenkassen und der sich daraus ergebenden Beschränkung von Investitionen in kohlenstoffreiche Anlagen sowie ehrgeizige Klima- und Energieziele.

Bill McKibben, Mitgründer von 350.org, der über Video der Konferenz in Brüssel zugeschaltet war, betonte die Bedeutung dieser Forschungergebnisse. „Ich hoffe, dass mit der Veröffentlichung dieser Studie jeder schnellstmöglich zu dem Schluss kommt, dass wir nicht am business-as-usual Szenario festhalten können.“

„Business as usual ist nicht nur eine Gefahr für den Planeten, sondern auch für die gesamte Wirtschaft. Diese fossilen Unternehmen sind skrupellose Konzerne, die mit ihrem Handeln nicht nur gegen die Gesetze von Staaten und der EU verstoßen, sondern auch gegen Naturgesetze – ein noch schwerwiegenderes Vergehen. Sie führen uns nicht nur in eine ökologische Katastrophe, die traurigerweise in Teilen der Welt bereits Realität ist, sondern bringen uns auch die vermutlich größte Finanzblase aller Zeiten“, fügte McKibben hinzu.

Der Bericht gibt der ohnehin wachsenden Divestment-Bewegung weiteren Aufwind. Seit 350.org die Divestment-Kampagne im Herbst 2012 gestartet hat, hat sie sich von den USA, auf Australien und Europa ausgebreitet. Dutzende Städte und Institutionen haben sich bereits zu Divestment verpflichtet.

Eine aktuelle Studie der Universität Oxford weist darauf hin, dass die Bewegung für Divestment aus fossilen Brennstoffen schneller wächst als jegliche vorherige Kampagnen dieser Art. Sie stellt fest, dass, „die Folgen der Brandmarkung, den die Kampagne eingeleitet hat, die weitreichendste Bedrohung für die Konzerne fossiler Brennstoffe und die gewaltige Energie-Wertschöpfungskette darstellt.“ [4]

Die Kampagne gewinnt auch in der Finanzwelt an Einfluss. Zuletzt haben 70 globale Investoren, die über drei Billionen US-Dollar Anlagekapital verwalten, Öl-, Gas- und Kohleunternehmen aufgefordert, festzustellen, welche Risiken vom Klimawandel für ihre Geschäftspläne ausgehen. Anfang des Jahres schloss sich Christiana Figueres, Exekutivsekretärin des UN-Klimasekretariats UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) während eines UN-Gipfeltreffens der führenden Köpfe der Finanzwelt jenen Stimmen an, die an Investoren appellieren, aus kohlenstoffreichen Kapitalanlagen auszusteigen. [5]

Während sich die Staatschefs auf den Ban Ki Moon Klimagipfel vorbereiten, der dieses Jahr in New York stattfindet, wird 350.org die Divestment-Bewegung weiter ausbauen, um globales Handeln für das Klima zu beschleunigen.

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HINWEISE FÜR DIE REDAKTION

[1] Die „Carbon Bubble” oder „Kohlenstoffblase” – die Überbewertung von Erdöl, Erdgas und Kohle fördernden Unternehmen angesichts der notwendigen Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger – stellt ein wachsendes Risiko für unsere Volkswirtschaften dar. Um die globale Erwärmung auf unter 2°C zu beschränken und damit gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, ist die Menge an fossilen Brennstoffen, die wir noch verbrennen können, begrenzt. Infolgedessen würde der größte Teil der Investitionen in fossile Brennstoffreserven verloren gehen. Derzeit besitzen private Unternehmen etwa ein Viertel der fossilen Brennstoffreserven. Wenn ein Großteil dieser Reserven nicht gefördert werden kann, mindert das den Wert dieser Unternehmen und damit ihr Schuldentilgungsvermögen. Die Carbon Bubble stellt angesichts der hohen Belastung von finanziellen Institutionen durch Aktien-, Anleihen- und Kreditportfolios von Öl-, Gas und Kohleunternehmen ein ernstzunehmendes Risiko für den Finanzsektor dar.

[2] Der Bericht The Price of Doing Too Little Too Late: The impact of the carbon bubble on the EU financial system ist hier verfügbar.

[3] Die Konferenz mit dem Titel „Deflating the Financial Carbon Bubble” fand im Europäischen Parlament statt. Weitere Informationen dazu hier.

[4] Bericht mit dem Titel: Stranded assets and the fossil fuel divestment campaign: what does divestment mean for the valuation of fossil fuel assets?

[5] BBC World Get your cash out of fossil fuel backed funds says UN climate chief

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