Juni 24, 2019

“Finanzwette bricht Generationenvertrag”: Staatliche Altersvorsorge für 900.000 Bundesbeamte ist klimaschädlich finanziert

Der Bund spekuliert für Beamtenpensionen mit Erdgas- und Öl-Aktien – zu Lasten des Klimas und der Jugend. Fridays for Future, die Generationen-Stiftung und weitere Organisationen fordern Generationengerechtigkeit durch schnellen Aktienverkauf.

24.06.2019, Berlin. In einem offenen Brief an die Regierungskoalition und das Klimakabinett fordert ein „Bündnis der Generationen“ ein schnelles Ende klimaschädlicher Aktiengeschäfte. [1] Mindestens 667 Millionen Euro aus Staatskassen lässt der Bund in Erdgas- und Öl-Konzerne fließen, die enorme Mengen Treibhausgase produzieren. Diese Börsenspekulationen zugunsten der Altersvorsorge von 600.000 pensionierten und 300.000 aktuellen Bundesbeamten sowie der Pflegeversicherung sind finanziell riskant, nicht mit den europäischen Klimazielen vereinbar und setzen vor allem die Zukunft der Jugend aufs Spiel.

“Generationengerechtigkeit braucht fossilfreie Finanzen”, so das Bündnis, und fordert einen Aktienverkauf “noch vor dem Jahresende 2019”. [2, 3, 4]
Zu den Erstunterzeichnenden gehören Bundes-Staatssekretär a.D. Ulrich Kasparick, Jugendforscher Dr. Hurrelmann, die “Generationen Stiftung”, Jugendorganisationen wie “Fridays for Future”, die “Klimadelegation” sowie die “Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen”. Initiatorin ist “Fossil Free Berlin”.

Dr. Ulrich Kleinwechter von “Fossil Free Berlin” sagt: “Diese Finanzwette des Bundes bricht den Generationenvertrag. Geschäfte auf Kosten des
Klimas verspielen die Zukunft der Jugend! Bundesländer wie Berlin und Schleswig-Holstein und Städte wie Münster und Heidelberg sind deutlich weiter. Sie investieren in eine Zukunft ohne Kohle, Öl und Gas. Wann bewegt sich das Klimakabinett?”

Ulrich Kasparick, Bundes-Staatssekretär a.D., erhält eine Bundespension und kommentiert: “Wie will ich das meinen Kindern und Enkeln erklären? Meine Pension kommt aus Geldquellen, die das Klima zerstören und die Zukunft der Jungen verbauen. Der Bund hat sich in Interessenkonflikte mit Öl- und Gaskonzernen wie Total und Eni verstrickt, die den Klimaschutz untergraben. Das ist unverantwortlich, das muss sich ändern.”

Weltweit haben mehr als 1.000 Investoren, die zusammen rund 8,77 Billionen US-Dollar verwalten, mit dem Abzug ihrer Gelder aus fossilen Brennstoffen begonnen (“Divestment”). Dazu zählen die Allianz, der norwegische Staatsfonds, die Republik Irland sowie neun Städte und drei Bundesländer in Deutschland. [5, 6] Das Land Berlin hat eigens den nachhaltigen Aktienindex Benexx erstellen lassen, um Kohle, Öl, Erdgas sowie Atomkraft und Kriegswaffen aus seinen Pensionsrücklagen zu entfernen. Der Benexx kann auch vom Bund genutzt werden. Er ist deutlich profitabler als die Anlagen, mit denen der Bund aktuell seine Beamtenpensionen finanziert. [6, 7]

Den offenen Brief im Wortlaut mit den Namen aller Erstunterzeichnenden finden Sie hier:
Offener Brief: Generationengerechtigkeit braucht fossilfreie Finanzen

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Pressekontakt

Mathias v. Gemmingen / Co-Organisator Fossil Free Berlin / fossilfreeberlin@riseup.net

Fotos von Fossil Free Berlin stehen auf Flickr zur nicht-kommerziellen Nutzung zur freien Verfügung. Für andere Nutzungsrechte wenden Sie sich bitte an den Pressekontakt. https://www.flickr.com/search/?text=fossil%20free%20berlin

Quellen & Anmerkungen
[1] Offener Brief im Wortlaut und Namen aller Erstunterzeichnenden:
Offener Brief: Generationengerechtigkeit braucht fossilfreie Finanzen

[2] Laut Auskunft des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Wochenzeitung DIE ZEIT sind zum Frühjahr 2018 rund 600.000 Bundesbeamte, Bundesrichter und Soldaten im Ruhestand, rund 300.000 weitere sind aktuell im Dienst.
https://www.zeit.de/2018/19/investitionen-bund-pensionsgelder-fossile-brennstoffe

[3] Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Dezember 2018 zur Finanzierung von Sondervermögen:
https://kleineanfragen.de/bundestag/19/6247-nachhaltigkeit-der-kapitalanlage-des-bundes.pdf

Der Bund finanziert vier Sondervermögen im Gesamtwert von 31,5 Mrd Euro mit bis zu 20% (= 6,3 Mrd. Euro) über Aktiengeschäfte, Marktwert zum 31. Oktober 2018:
(1) Versorgungsrücklage des Bundes 13,1 Mrd. Euro
(2) Versorgungsfonds des Bundes 4,7 Mrd. Euro
(3) Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit 8,7 Mrd. Euro
(4) Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung 5,0 Mrd. Euro

[4] Unternehmen im Euro Stoxx 50: https://www.finanzen.net/index/euro_stoxx_50/werte Enthalten sind zum Stand 23.6.2019 insgesamt acht Konzerne mit einem Wertanteil von rund 667 Millionen Euro, die klimaschädliche Geschäfte mit Erdgas und Öl machen – einige zusätzlich auch mit Atom.

[5] Weltweit ziehen mehr als 1.000 Anleger ziehen ihre Investitionen schrittweise oder ganz
aus Kohle, Öl und Gas ab: https://gofossilfree.org/divestment/commitments/

[6] Definition von “Divestment” von Fossil Free Berlin:
Was ist Divestment?

[7] Aktienindex Benexx des Landes Berlin:
https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.546128.php

[8] Laut Performance-Vergleich der beiden Finanzdienstleister ISS-oekom und Solactive AG, die den Benexx im Auftrag der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin 2016 erstellt haben, übertrifft der Benexx den Euro Stoxx 50. Details auf Anfrage beim Pressekontakt.
https://www.issgovernance.com/esg/ | https://www.solactive.com/

Über Fossil Free Berlin
Erfahrene Campaigner*innen und Ehrenamtliche gründeten 2014 “Fossil Free Berlin” und erzielten 2016 einen ersten großen Erfolg: Als Reaktion auf öffentlichkeitswirksame Aktionen und eine dauerhafte Divestment-Debatte beschloss das Parlament des Landes Berlin, 823 Millionen Euro Versorgungsrücklagen für Unternehmen zu sperren, die mit fossilen Brennstoffen, Atomkraft und Kriegswaffen Geschäfte machen. Das Berliner Team ist Teil der internationalen Klimabewegung “Fossil Free”, die von der Non-Profit-Organisation “350.org” und Bill McKibben (Träger des Alternativen Nobelpreises 2014) initiiert wurde. In Deutschland sind 25 Divestment-Initiativen aktiv, weltweit über 1.000. Sie setzen sich für Klimagerechtigkeit, 100% erneuerbare Energien und eine Abkehr von der fossilen Brennstoff-Industrie ein.

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