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Investment-Strategien der Deutschen Diözesen

Dass die deutschen Diözesen trotz Kirchenkrise immer noch einiges an Geld übrighaben, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Um dieses Geld zu behalten bzw. zu vermehren, investieren Kirche ihr Geld unter anderem in Aktien – schließlich ist dies momentan eine der wenigen verbliebenen Möglichkeiten, die Inflation ohne Wertverlust auszugleichen. Dabei geben sich deutsche Diözesen selbst Anlagerichtlinien, die dem Schutz von Leben dienlich sein sollen. Sie investieren nicht in Rüstung. Sie investieren auch nicht in Verhütung. Allerdings scheinen sie weniger Probleme damit zu haben, in Firmen zu investieren, die ihr Geld maßgeblich mit fossilen Brennstoffen verdienen, und damit die Zerstörung unser aller Lebensgrundlagen aktiv beschleunigen. Nur durch diese Vermutung ist zu erklären, warum kaum eine Diözese zu Stellungnahmen auf Anfragen von Klima-Aktivist*innen bezüglich kirchlicher Divestment-Strategien zu bewegen ist.1

Päpstlicher Standpunkt

Dabei sollte die Marschroute der katholischen Kirche in Frage Umweltschutz spätestens seit Veröffentlichung der Enzyklika Laudato Si glasklar sein:

„Wir wissen, dass die Technologie, die auf den sehr umweltschädlichen fossilen Brennstoffen – vor allem von Kohle, aber auch von Erdöl und … Gas – basiert, fortschreitend und unverzüglich ersetzt werden muss.” (Laudato Si Nr. 165)

Dann lieber weghören?

Die Meinung von Papst Franziskus erscheint für die Frage des konkreten Handelns der Diözesen, vor allem für die Frage nach dem Divestment aus fossilen Brennstoffen, jedoch vernachlässigbar. Franziskus serviert der deutschen katholischen Kirche, der in Sachen moralischer Autorität und Integrität gerade im großen Stil die Felle davonschwimmen, mit seiner Enzyklika eigentlich eine Profilierungsmöglichkeit erster Güte. Initiativen wie Fossil Free, die öffentlich Divestment-Forderungen stellen, treten mit dieser Begründungsstrategie immer wieder an die deutschen Diözesen heran. Weitestgehend vergeblich, wie es scheint.2

Die oben aufgezeigte Dissonanz von Theorie und Praxis ist nur mit der Vermutung aufzulösen, dass die deutschen Diözesen aller Wahrscheinlichkeit nach breit in fossile Brennstoffe investieren und ihre Anlagestrategie von derselben Marktlogik gespeist wird, die Papst Franziskus in seiner Enzyklika so prominent verurteilt hat. Begründete Vermutung muss dies bleiben, weil die Kirche, die darüber Auskunft geben könnte, ihre Handlungsstrategien nicht offen kommuniziert, sondern vornehm schweigt. Die deutschen Diözesen verfolgen damit genau die vom Papst kritisierte Haltung „eine[r] oberflächliche[n] oder scheinbare[n] Ökologie, die eine gewisse Schläfrigkeit und eine leichtfertige Verantwortungslosigkeit unterstützt“ (LS 59). Wie in vielen Unternehmen so scheint auch die Zurückhaltung der deutschen Diözesen zu diesem Thema seinen einfachen Grund darin zu haben, dass es unbequem – und eventuell teuer – wäre, aus den bis dato getroffenen Arrangements auszusteigen.

Machtfülle vs. Ohnmacht

Dem soll gar nicht widersprochen werden. Es ist keine Kleinigkeit, erfolgreich nachhaltig zu investieren, vielleicht ist es hundertprozentig gar nicht zu verwirklichen. Problematisch ist allerdings, dass scheinbar gar keine Notwendigkeit in einem Dialog darüber gesehen wird – im Gegensatz zu Rüstungs- bzw. Verhütungsinvestitionen. Mehr noch, das Gespräch mit den eigenen Mitgliedern über institutionelle Veränderungen wird verweigert. Stattdessen wird die Verantwortung in puncto Klimaschutz an die einzelnen Gläubigen weitergereicht. Dies ist umso fragwürdiger, als die Kirchenleitung den Gläubigen diese Eigenverantwortung in anderen ethischen Fragen kategorisch verweigert.

Zwar ist ein katholischer Ansatz, der hier einmal auf die Freiheit und Verantwortung des*der Einzelnen setzt, grundsätzlich lobenswert. Gerade in der globalen und Generationen übergreifenden Frage des Klimaschutzes muss jedoch diskutiert werden, ob die Betonung individueller ethischer Verantwortung die notwendige Verhaltensänderung rechtzeitig bewirken kann oder ob diese auch politisch gesteuert werden muss.

Denn dass es der*die Einzelne mit der Nachhaltigkeit im Alltag nicht immer allzu genau nimmt und sich trotz besserer Einsicht immer wieder die Ausnahme von der Regel erlaubt, liegt mit darin begründet, dass es bisher Menschen unmöglich war, Verantwortung für Generationen zu übernehmen, geschweige denn für eine gesamte Welt.

„Dies ist die größte Gefahr des Klimawandels, dass die zufällige Machtfülle der Menschen Probleme hervorbringt, die unser moralisches Vorstellungsvermögen übersteigen und unsere Fähigkeiten zum Erliegen bringen, Verantwortung zu übernehmen.“3

Die Rückseite der Machtfülle der gesamten Menschheit ist die Ohnmachtserfahrung des*der Einzelnen. Sie ist das Resultat einer strukturellen Verkettung aller Faktoren menschlichen Lebens im globalen System einer alles durchdringenden Ökonomie.4

An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen

Der Ansatz des Divestment versucht unter faktischer Anerkennung der ökonomischen Wirklichkeit, die sich in der Logik des Kapitalismus manifestiert, diese Wirklichkeit nach Regeln von Mitmenschlichkeit und Barmherzigkeit umzustrukturieren. Dies kann in großem Maßstab erst dann gelingen, wenn mächtige und zugleich moralisch glaubwürdige gesellschaftliche Akteur*innen der Bewegung ihre Stimme geben – nicht nur durch Worte, sondern durch Taten.

Und an ihrer Orientierung an Taten wird Kirche letztlich gemessen werden: Je weiter der bereits jetzt bestehende gesellschaftliche Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit von Klimaschutz um sich greift, desto fraglicher wird die moralische Autorität von Institutionen, die sich ihm nicht oder nur halbherzig anschließen. Die theologische Relevanz des Klimaschutzes steht außer Frage. Wenn die mittlere Kirchenebene sich jedoch stillschweigend weigert, Verantwortung zu übernehmen, bleiben die medienwirksamsten päpstlichen Aufrufe Lippenbekenntnisse.

Die Katholik*innen an der Basis sind diejenigen, die mit ihren Beitragszahlungen das finanzielle Grundgerüst ihrer Kirche bilden. Ein Großteil der kirchlichen Finanzen speist sich in Deutschland noch aus Kirchensteuerbeiträgen. Trotzdem haben sie im hierarchisch verfassten System der katholischen Kirche wenig Mitspracherechte über die Verwendung ihrer Beiträge. Das Gefahrenszenario, dass die Gläubigen in Zukunft noch stärker als bisher mit den Füßen abstimmen werden und bei Nichteinverständnis mit der kirchlichen Anlagestrategie den Kirchenaustritt als effektivere Möglichkeit demokratischer Willensbekundung nutzen werden, scheint nicht unbegründet: Kirchen-Divestment sozusagen. Die katholische Kirche in Deutschland sollte sich daher nicht zuletzt auch politisch fragen, was am Ende der Preis dafür sein wird, ihre theologischen Überzeugungen einer profitorientierten Marktlogik zu opfern.


Fossil Free Freiburg und Fossil Free Göttingen haben aktive Divestment-Kampagnen, die sich an die katholische Kirche richten.

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