Im Rahmen des Global Divestment Day und als Auftakt der Berliner Stadtkampagne wurde dieser offene Brief von Fossil Free Berlin veröffentlicht. Wichtige Vertreter*innen aus Wissenschaft, Politik, Gesundheitssektor und Kunst unterzeichneten den Brief.

Hier ist der Brief als Petition verfügbar. Bitte unterzeichne auch du. Gemeinsam überzeugen wir Berlin zu deinvestieren!

Sehr geehrter Bürgermeister Herr Müller,
Sehr geehrter Senator für Finanzen Herr Kollatz-Ahnen,
Sehr geehrte Abgeordnete und Mitglieder des Senats,

die Stadt Berlin will einen ambitionierten Klimaschutz betreiben und bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Im Gegensatz dazu steht, dass die Hauptstadt zeitgleich durch ihre Geldanlagen in fossile Brennstoffunternehmen investiert. Berlin sollte Klimaschutz ganzheitlich und konsequent ausführen. Dazu gehört, dass bestehende Investitionen in Unternehmen, die fossile Energieträger fördern, verarbeiten und vertreiben, beendet werden und solche Investitionen auch zukünftig ausgeschlossen werden .

Die Beweislage zur globalen Erwärmung ist überwältigend und wird von der Stadt Berlin anerkannt. Klimarisiken, die sich jenseits der 2°C Leitplanke häufen dürften, werden auch Deutschland betreffen. Der Berliner Senat stellte bereits 2009 fest: „In den zurückliegenden Jahren führte der globale Klimawandel auch in Berlin zu wachsenden Belastungen für verschiedene Bereiche der städtischen Infrastruktur.”

Die internationale Staatengemeinschaft einigte sich auf das Ziel, die Erderwärmung aufgrund dieser Risiken auf 2°C zu begrenzen. Daraus ergibt sich ein Maximalbudget für CO2-Emissionen, das beim Verbrennen aller förderbaren Reserven fossiler Energieträger um ein Vielfaches überschritten würde. Um die 2°C Leitplanke zu beachten, müssen etwa 80% der bekannten Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben.

Derzeit hält die Stadt Berlin rund 1 Milliarde Euro an investierbarem Finanzanlagevermögen. Den größten Anteil davon stellen mit etwa 600 Millionen Euro die Versorgungsrücklagen des Landes, für Pensionen von Beamten. Knapp 36 Millionen Euro umfasst das Vermögen der Stiftungen Berlins. Den Rest des Anlagevermögens stellen Finanzanlagen der Beteiligungsunternehmen des Landes.Teile dieses städtischen Vermögens werden in Aktien oder Fonds gewinnbringend angelegt. Dabei ermöglicht das Anlagekonzept der Stadt unter anderem Investitionen in Firmen, die zu den 200 Kohle-, Öl- und Gasunternehmen gehören, die den überwiegenden Teil an fossilen Brennstoffreserven halten; zu den bekanntesten darunter zählen BASF, E.ON, Enel, ENI, GDF Suez, Repsol YPF, RWE und Total. Außerdem finden sich in diesen Fonds Kreditinstitute, die die fossile Industrie durch Finanzdienstleistungen wesentlich stützen. Darunter Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Société Générale und UniCredit. Eine Geldanlage in fossile Brennstoffunternehmen ist jedoch nicht nachhaltig.

Hinzu kommt das ökonomische Risiko. Studien, beispielsweise von Bloomberg und der London School of Economics, weisen auf das Risiko einer Finanzblase hin, welche zu platzen droht: die Kohlenstoffblase (engl.: Carbon Bubble). Die Aktienwerte fossiler Brennstoffunternehmen und die Weltmarktpreise fossiler Energieträger richten sich stark nach den vorhandenen Reserven und der Annahme, diese auch nutzen zu können. Werden regulative Mechanismen für die Einhaltung des 2°C-Ziels ergriffen und folglich die Verbrennung fossiler Energieträger beschränkt, verlieren die Unternehmen massiv an Wert. Die Aktien werden zu sogenannten „stranded assets“ (verlorene Vermögenswerte). Eine Studie der britischen Bank HSBC zeigt, dass der Wertverlust von Unternehmen und Investitionen im fossilen Sektor 40-60% ausmachen könnte.

Schon heute sind die Lebensgrundlagen vieler Menschen durch die Folgen des Klimawandels bedroht. In Teilen Afrikas und Asiens nehmen Desertifikation und extremer Wassermangel durch lange Dürreperioden bereits erschreckende Ausmaße an. Der Meeresspiegelanstieg stellt eine Gefahr für viele Bewohner von Küstenregionen dar. Gletscherregionen stehen vor dem Verlust ihrer Süßwasserreserven. Auch deswegen ist es Zeit zu handeln – das haben bereits Städte wie Seattle, San Francisco und Oxford erkannt und sich deswegen zu Divestment entschlossen.

Aufgrund der ökonomischen Risiken und den desaströsen Folgen für das Erdsystem fordern wir die Entscheidungsträger*innen in Berlin respektvoll auf, Anlagen aus fossilen Brennstoffunternehmen innerhalb der nächsten fünf Jahre abzuziehen und diese Investitionen in Zukunft durch Anlagerichtlinien auszuschließen. Investieren Sie stattdessen in eine nachhaltige Zukunft.

Mit freundlichen Grüßen

Fossil Free Berlin mit Michalina Golinczak, Molina Gosch, Marlene Alber, Mathias v. Gemmingen, Charlene Wolf und Dr. Philip Bedall für die gesamte Gruppe und die Unterzeichner*innen:

Gruppen, Verbände

BUNDjugend Berlin

BürgerEnergie Berlin eG

Gegenstrom Berlin

Greenpeace Berlin

GRÜNE JUGEND Bundesebene

IPPNW- Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung, Regionalgruppe Berlin

Kohleausstieg Berlin

Einzelpersonen

Dr. Martin Cames
Leiter Bereich Energie & Klima (Berlin), Öko-Institut

Lili Fuhr
Referentin Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung

Daniel Hires
Co-Creator Silent Climate Parade

Werner Landwehr
Prokurist, Regionalleiter GLS Bank Berlin

Detlef Müller
Hebräisch-Übersetzer und -Lehrer

Luise Neumann-Cosel
Vorstand BürgerEnergie Berlin eG

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber
Klimawissenschaftler und Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Prof. Stefan Rahmstorf
Klimaforscher, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Bernd Sommer
Leiter des Bereichs „Klima, Kultur und Nachhaltigkeit“ am Norbert Elias Center for Transformation Design & Research der Europa-Universität Flensburg

Univ.-Prof. Dr. med. Andreas Ströhle
Universitätsprofessor und Leitender Oberarzt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Universitätsmedizin Berlin

Prof. Dr. Harald Welzer
Professor für Transformationsdesign an der Europa-Universität Flensburg. Mitbegründer und Direktor von FUTURZWEI – Stiftung Zukunftsfähigkeit

Annemie Vanackere
Künstlerische Leitung & Geschäftsführung, HAU Hebbel am Ufer / Hebbel-Theater Berlin GmbH

Unterstützung aus Politik

Reinhard Bütikofer
MdEP und Ko-Vorsitzender Europäische Grüne Partei

Bettina Jarasch
Mitglied im Bundesvorstand und Vorsitzende des Landesverbandes Berlin von Bündnis 90/Die Grünen

Lisa Paus
MdB, Sprecherin für Steuerpolitik, Obfrau und Mitglied im Finanzausschuss, Bündnis 90/Die Grünen

Daniel Wesener
Vorsitzender des Landesverbandes Berlin, Bündnis 90/Die Grünen

FacebookTwitter