97 Mitglieder der Berliner Ärzteversorgung haben Anfang April in einem Brief ihr Versorgungswerk aufgefordert, alle Investments aus der Kohle- , Öl- und Gasindustrie binnen fünf Jahren zu beenden und die frei werdenden Mittel in Anlagen für eine nachhaltige und gesunde Zukunft zu reinvestieren. Die Berliner Ärzteversorgung hält Vermögenswerte in Höhe von 7-8 Milliarden Euro.
Initiiert wurde der Brief von Eckhard Schreiber-Weber, MEZIS-Vorstandsmitglied, und mir, Angehöriger der IPPNW– Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
Wir verwiesen in dem Brief auf die gesundheitlichen Folgen der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Schon jetzt führt die Verbrennung fossiler Brennstoffe, insbesondere der Kohle, zu einer Luftverschmutzung, an deren Folgen jedes Jahr Millionen Menschen vorzeitig sterben. Der Lancet-Kommission zufolge stellt der Klimawandel die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts dar.
Soll der Temperaturanstieg auf 2 Grad beschränkt werden, wozu sich die Staatengemeinschaft verpflichtet hat, müssten 60-80 % der jetzt vorhandenen Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben, so unsere Argumentation. Laut Akteuren aus der Finanzwelt, der Bank of England und der Weltbank, stellt der Klimawandel ein großes finanzielles Risiko dar und betrifft somit auch den ärztlichen Pensionsfonds.
Wir sprachen in dem Brief die ökonomische und moralische Verantwortung speziell von Ärzten und ärztlichen Organisationen an, nicht weiter in eine Industrie zu investieren, die in hohem Maße der Gesundheit schadet und zu einem Klimawandel beiträgt, von dem unsere ganze Zivilisation bedroht wird. Nachhaltiges Investment müsse sich längerfristig nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch auszahlen, und die Anlageentscheidungen des Versorgungswerks sollten sich auch am Gemeinwohl und den Lebensbedingungen der jüngeren und der zukünftigen Generationen orientieren.
Inzwischen hat sich auch der Deutsche Ärztetag Mitte Mai mit dem Thema Divestment befasst und einen entsprechenden Antrag zur weiteren Beratung an den Vorstand der Bundesärztekammer verwiesen. In diesem Antrag werden Ärzte und ärztliche Organisationen, insbesondere die Versorgungswerke, aufgefordert, Investitionen aus Unternehmen der fossilen Energiegewinnung abzuziehen und die Debatte über Klimawandel und Gesundheit in der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit zu fördern.
Der Antrag folgt damit einem Beschluss der British Medical Association, die als erste Ärzteorganisation der Welt 2014 zum Divestment aufgerufen hatte. Insgesamt war die britische Debatte im Gesundheitssektor für uns sehr hilfreich und beispielgebend.
Mit dem Appell und dem Beschluss des Ärztetags ist das Thema in der Ärzteschaft erst einmal gesetzt. Das Berliner Versorgungswerk soll bereits eine relativ nachhaltige Anlagestrategie betreiben und keine direkten Investitionen in Kohleunternehmen mehr halten. Es scheint uns daher relativ offen für unser Anliegen.
Der Klärungsprozess in den Gremien der Ärzteversorgung benötigt Zeit. Mit einer schnellen Entscheidung rechnen wir daher nicht. Ein positiver Ausgang hätte sicher eine Signalwirkung für andere ärztliche und berufsständische Versorgungswerke, ebenfalls ein Divestment zu prüfen. Das Klima und nachfolgende Generationen werden es ihnen danken.
Drücken wir die Daumen,
Dieter Lehmkuhl