Ein Bericht von Emma Örn aus Stockholm

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Emma als freiwillige Greenpeace-Helferin in Kopenhagen (2009)

Als ich 23 war, reiste ich im Jahr 2009 als freiwillige Greenpeace-Aktivistin zur UN-Klimakonferenz COP 15 nach Kopenhagen. An jedem eiskalten Morgen stand ich in meiner leuchtend gelben Jacke vor dem Konferenzzentrum, versuchte tapfer zu lächeln und so viele Delegierte wie möglich auf ihrem Weg nach Drinnen anzusprechen. Ich war überzeugt, dass dieser Klimagipfel einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit darstellen würde.

Viele verspürten Enttäuschung und Resignation, als das nicht eintrat. Wir lernten daraus, unsere Hoffnung nicht auf Klimakonferenzen zu setzen, sondern diese als Mittel zur Mobilisierung statt als Lösung für die Klimakrise zu verstehen. Dank dieses Bewusstseins wurde die Mobilisierung im Rahmen der COP 21 in Paris auch eher als Ausgangspunkt für eine neue Art der Bewegung angesehen. Und sie gab mir neue Hoffnung für die Klimabewegung und alle, die für eine nachhaltige und gerechte Zukunft kämpfen. 

Letzten Sommer reiste ich ins Rheinland, um bei der Massenaktion Ende Gelände mitzumachen. Wir waren 1.500 Teilnehmer aus allen möglichen Ländern mit dem gemeinsamen Ziel, eine Braunkohlegrube stillzulegen, was uns — wenn auch nur für kurze Zeit — gelang.

Das Tollste an Ende Gelände war, dass viele Menschen wie ich dabei waren, die nie zuvor an einer Aktion des zivilen Ungehorsams teilgenommen hatten. Die erfahreneren Aktivist*innen vermittelten uns Neuen ihr Wissen und ihre Strategien, bis wir das Gefühl hatten zu wissen, was wir taten und vorbereitet zu sein.

Es war ein überwältigendes Gefühl des Zusammenhalts und der Entschlossenheit. Aber ich hatte auch große Angst. Noch nie war ich Teil einer Gruppe gewesen, die von so brutaler Polizeigewalt getroffen wurde, wie sie rund um die Kohlegrube ausgeübt wurde. Seit dieser Erfahrung denke ich darüber nach, wie ich mit dieser Angst umgehen kann, denn ich glaube, dass diese Art des Handelns dringend erforderlich ist.  Manchmal kommen mir allerdings Zweifel, ob diese Form der direkten Aktion das Richtige für mich ist, und ich frage mich, ob ich mich vielleicht anders für die Klimabewegung engagieren sollte.

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Deutsche Polizisten setzten bei Ende Gelände 2015 Tränengas gegen friedliche Demonstranten ein.

 

Einige Monate später traf ich auf der COP 21 in Paris eine erfahrene Aktivistin aus Großbritannien namens Roanne. Sie erzählte mir, dass sie im Laufe ihres Lebens schon an vielen erfolgreichen Aktionen beteiligt gewesen war.

Was war der Knackpunkt, weshalb diese Aktionen so erfolgreich waren?,  fragte jemand.

Roanne antwortete: Hauptsächlich deswegen, weil ich Teil einer Gruppe war, die zusammenhält und deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen. Gemeinsam haben wir versucht, unsere Angst zu überwinden. Wir haben akzeptiert, dass wir alle Angst hatten und gingen weiter voran mit zitternden Knien.

Da wurde mir klar, dass ich es auch schaffen kann und dass es extrem wichtig ist, dass sich so viele Menschen wie möglich als Teil dieser Bewegung an direkten Aktionen beteiligen. Mir wurde klar, dass es unwichtig ist, wie viel Erfahrung man hat oder für wie mutig man sich selbst hält. 

Daher war für mich einer der wichtigsten Aspekte der „roten Linien“, die bei der Aktion am 12. Dezember in Paris abgesteckt wurden, um die Unzulänglichkeit des Pariser Klimaabkommens anzuprangern, dass sich so viele Menschen angesprochen fühlten, an einer Massenaktion zivilen Ungehorsams teilzunehmen. Obwohl sich die Aktion am Ende eher wie eine gewöhnliche Demonstration anfühlte (weil die Polizei am Vorabend die Erlaubnis dafür erteilt hatte), ist nur wichtig, worauf wir vorbereitet waren. Tausende von uns besuchten in dieser Woche die Training-Workshops in Paris und waren auf zivilen Ungehorsam in den Straßen von Paris vorbereitet. Dank dieser Erfahrung werden wir beim nächsten Mal, wenn eine direkte Aktion gefragt ist, schneller bereit sein, z.B. bei der nächsten geplanten Ende-Gelände-Aktion als Teil der weltweiten Break-Free-Aktion im Mai 2016.

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10.000 Menschen zogen rote Linien für eine gerechte und bewohnbare Welt, die nicht überschritten werden dürfen.

 

In der Woche in Paris war es viel wert, dass es bereits einen konkreten Plan für noch größere Aktionen in der Zukunft gab. Die Vorstellung von Paris als Ausgangspunkt, um die Bewegung zu vergrößern, wurde greifbarer.

Am darauffolgenden Tag meldete ich mich für einen Theater-Workshop in Stockholm am 14. Februar an. Dort geht es darum, die Erfahrungen aus dem Aktivismus vor, während und nach COP 21 zu teilen. Hoffentlich werde ich viele Ansichten kennenlernen. Je mehr ich von den Erfahrungen und Sichtweisen anderer lernen kann, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich weitergehe, auch wenn mir die Knie zittern.

Auch du kannst dich für die Break-Free-Aktion im Mai 2016 in deiner Nähe anmelden..

– Emma Örn, Stockholm

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