Von Holly Templer, Mitorganisatorin der Fossil Free Bristol-Kampagne

Heute habe ich eine dieser „Heute vor 2 Jahren…“-Nachrichten auf Facebook bekommen, die mich an den Tag erinnerte, an dem ich Aktivistin geworden bin.

1-rgm5KPN96kHuAGxUNlSGaQHätte man mir vor zwei Jahren gesagt, dass ich heute eine Radtour nach Südwales planen würde, um bei der Besetzung einer Kohlegrube mitzumachen, hätte ich gesagt, da redet ihr sicher nicht von mir. Und doch finde ich mich heute in genau diesem Szenario wieder. Gerade habe ich mein Ticket für die Time to Cycle-Tour gebucht und bürste mein Zelt ab, das ich Ende des Monats mit zum Reclaim the Power-Camp nach Ffos-y-Fran nehmen werde, dem größten Kohletagebau Großbritanniens.

Ich möchte euch erzählen, wie ich an diesen Punkt gekommen bin.

2014 interessierte ich mich weder für die Kohleindustrie noch für den Klimawandel. Ich steckte mitten in den Vorbereitungen für die Eröffnung meines eigenen Cafés. Dafür hatte ich zehn Jahre lang gespart. Ich war damit beschäftigt, in meinem Leben voranzukommen und der Gedanke, dass der Klimawandel auch mich etwas angeht, kam mir überhaupt nicht in den Sinn.

Versteht mich nicht falsch; natürlich wusste ich vom Klimawandel. Aber ich dachte, er sei ein sehr weit entferntes Problem. Nichts, was mich betreffen würde und sicherlich erst recht nicht in nächster Zeit. Mehr noch ging ich davon aus, dass es wohl irgendjemanden geben würde, der meine Interessen vertrat und sicherstellte, dass der Klimawandel mir nie Grund zur Sorge geben würde. Ein Jemand wie… David Cameron? Greenpeace? Eigentlich war ich mir darüber nicht wirklich im Klaren. Aber ganz gewiss dachte ich nicht, dass mich das Ganze etwas angeht.

Ich trug ja meinen Teil bei: Ich nahm immer das Rad statt das Auto, trennte den Müll wie jeder anständige Bürger und benutzte meine Plastiktüten mehrmals. Darüber hinaus jedoch dachte ich nie über Klimawandel nach und er spielte auch keine Rolle in meinem Leben.

Als ich dann im Rahmen der Gründung meines Cafés ein wenig Recherche betrieb, stieß ich eines Tages – besser gesagt heute auf den Tag genau vor zwei Jahren – auf ein Café in den USA, das sich als „Zero Waste-Café“ ziemlich erfolgreich vermarktete. Mit dieser Idee setzte ich mich auseinander und fand dieses Video auf der großartigen Seite „Story of Stuff“.

Bitte seht es euch an, wenn ihr es noch nicht kennt. Das Video öffnete mir die Augen; ich war sehr naiv. Es hat mein Leben verändert. Es hat mich unglaublich schockiert und mein ganzes Weltbild verändert.

2-hCwR93uHwiMuIFrvt4xKTQMir wurde klar, dass der Klimawandel nicht nur schon in vollem Gange war und Menschen auf der ganzen Welt davon betroffen waren, sondern auch dass das gesamte System, die ganze Weltwirtschaft, nicht nutzbringend war. Alles ergab einen logischen Sinn: Es kann kein unendliches Wachstum auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen geben.

Ich wollte etwas unternehmen, etwas bewirken. Als allererstes schwor ich mir, nie wieder PET-Einwegflaschen zu kaufen und postete das Video auf Facebook. Das war nur eine kleine Geste, aber ich dachte mir, wenn meine Freunde es sehen, dann würde es ihnen genauso ergehen wie mir und sie würden auch mitmachen wollen. Seltsamerweise bekam das Video überhaupt keine Likes…

Was ich sonst noch tun konnte, wusste ich auch nicht.

Etwa einen Monat später bekam ich eine Email von Avaaz.org. Ich war schon eine Weile lang bei Avaaz registriert und hatte einige Petitionen unterzeichnet und auf Facebook geteilt. Ich war ein typischer „Clicktivist“. Diese Email jedoch war anders.

Darin stand: „Dies ist die wichtigste Kampagne, die wir je auf die Beine gestellt haben“. Und anstatt wie immer eine Petition zu unterzeichnen, wurde ich dieses Mal dazu aufgefordert, vom Sofa aufzustehen und für den Klimaschutz zu demonstrieren. Avaaz war eine der Organisationen, die den großen „People’s Climate March“ planten, um breite Unterstützung für die Klimaschutzmaßnahmen der Regierungen zu demonstrieren. Er sollte am Vortag der UN-Klimakonferenz in New York stattfinden.

Ich dachte sofort, „Ja, ich bin dabei!“, und klickte auf die Email. Ich wurde auf eine Seite weitergeleitet, auf der ich gefragt wurde: „Würdest du dich an der Organisation einer Demonstration in deiner Stadt beteiligen?“ Ich zögerte nicht und klickte auf „Ja“. Dann kam die Frage: „Erklärst du dich bereit, Hauptverantwortlicher für die Demonstration in deiner Stadt zu sein, falls es hierfür noch niemanden gibt?“

Ich hatte noch nie an einer Demonstration teilgenommen, geschweige denn eine organisiert. Aber ich hatte Erfahrung in der Veranstaltungsplanung – Bierfeste und Ähnliches. Daher dachte ich mir, „Wie schwer kann das schon sein?“, und klickte nochmals auf „Ja“.

3-ITrizrVhbIDOBmAHSo kam es, dass ich den People’s Climate March in Bristol im September 2014 organisierte. So manch einer findet, dass man mit Demonstrieren nichts erreicht. Für mich aber war das der perfekte Einstieg in den Aktivismus.

Durch diese Demonstration lernte ich viele Leute aus meiner Umgebung und viele unterschiedliche Aktionsgruppen kennen: Greenpeace- und Friends of the Earth-Gruppen, das Dharma Action Network for Climate Engagement sowie die People’s Assembly against Austerity, um nur einige zu nennen.

Doch die einzige Kampagne, die wirklich eine nachhaltige Wirkung auf mich hatte, war die Fossil Free Divestment-Kampagne.

Die Argumentation erschien mir sinnvoll: „Wenn es falsch ist, den Planeten zu zerstören, dann ist es auch falsch, von dieser Zerstörung zu profitieren.“ Anders ausgedrückt sollten wir nicht weiter in die Kohle-, Öl- und Gasindustrie investieren, egal ob durch Banken, Renten oder Gemeinden. Sofort verpflichtete ich mich dazu, meine eigenen Ersparnisse von der HSBC abzuziehen und bei der Triodos Bank anzulegen. Das war wirklich einfach – fast schon zu einfach! Daher beschloss ich, einen Flashmob für den Global Divestment Day zu organisieren, um auch andere dazu zu bringen, ihr Geld bei Banken anzulegen, die nicht in die Kohle-, Öl- und Gasindustrie investieren.

Dann machte ich bei dieser Kampagne mit – Fossil Free Bristol. Diese hatte soeben das Versprechen des Bürgermeisters erwirkt, dass die Stadtverwaltung von Bristol nie wieder in Unternehmen der Kohle-, Öl- und Gasindustrie investieren würde. Ich wollte nun bei dem Appell mitmachen, keine Gelder aus dem städtischen Rentenfond, dem Avon Pension Fund, in solche Projekte zu investieren.

Einige Monate später gelang es mir nicht mehr, mich auf meinen Hauptberuf zu konzentrieren. Klimawandel und Kampagnenarbeit nahmen immer mehr Platz in meinem Kopf ein und ich wollte nichts anderes mehr tun, als mit meinen Kollegen und Kunden darüber zu sprechen. Die lächelten und nickten freundlich, wollten aber eigentlich nichts davon hören.

Also gab ich meinen Job auf. Für mich war 2015 ein so wichtiges Jahr im Kampf gegen den katastrophalen Klimawandel, dass ich mich auf Vollzeitbasis dafür einsetzen musste. Ich hatte etwas Geld gespart und rechnete mir aus, dass ich etwa 12 Monate lang ohne Gehalt auskommen würde.

4-LjlduhWcSuqmeNNTWarum war 2015 so wichtig? Ende letzten Jahres kamen Vertreter der Vereinten Nationen zum 21. Mal in Folge zu einem Gipfeltreffen, der COP21 in Paris, zusammen, um über den Klimawandel zu beraten. Und zum 21. Mal in Folge konnten sie keine konkreten Lösungen vorlegen.

Vielleicht habt ihr im Dezember Schlagzeilen gelesen, die so klangen, als sei ein verbindliches Abkommen ausgehandelt worden. Wer aber die Artikel gelesen hat, wird bemerkt haben, dass das Abkommen nicht gänzlich rechtlich bindend ist und nur sehr wenige Einzelheiten enthält.

Mich erinnert das Pariser Abkommen an einen fettleibigen Patienten, der mit seinem Arzt „vereinbart“, ein gemeinsam festgesetztes Normalgewicht zu erreichen, ohne allerdings zuzustimmen, die Ernährungsweise oder den Fitnessplan zu ändern.

Kein rechtsverbindliches Abkommen zu erzielen überschritt für mich eine „rote Linie“. Schon Monate zuvor beschloss ich, dass ich den Druck erhöhen würde, sollte diese Grenze überschritten werden. Und genau da stehe ich heute.

Was wir jetzt brauchen, ist sofortiges Handeln. Doch unsere Regierungen können scheinbar nicht weiter als bis zur nächsten Wahl denken und sind fest in der Hand der Unternehmerlobby. Denken wir nur an den konservativen Politiker Peer Matt Ridley.

Was genau soll es bringen, ein Kohlebergwerk einen Tag lang stillzulegen? Bestimmt wird der Betrieb am Tag darauf wieder aufgenommen. Ganz bestimmt. Das Bergbauunternehmen Miller Argent wird zwar ein bisschen Geld einbußen, aber das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein verglichen mit dem Jahresgewinn. Selbst wenn wir das Ende der Kohleförderung in Großbritannien besiegeln würden, verbrennen die britischen Kraftwerke trotzdem Kohle. Diese müsste dann einfach importiert werden, was sogar zu mehr Emissionen führt. Betrügen wir den kleinen Mann dann nicht um seinen Arbeitsplatz?

Wir protestieren nicht nur gegen dieses Bergwerk. Obwohl wir uns mit den Bürgern vor Ort solidarisch zeigen, die gegen die neue Grube bei Nant Llesg sind, ist diese Aktion Teil eines globalen Aktionsmonats gegen fossile Brennstoffe. Damit und mit allem, was wir sonst noch tun, wollen wir zeigen, dass wir stark genug sind, organisiert genug und groß genug, um das Ruder herumzureißen.

5-0MwzHz-PN_XtRpq9Aktivist*innen werden oft belächelt, als „Ökoterroristen“ abgestempelt, mit herabwürdigenden Blicken gestraft – selbst von denen, die für dieselbe Sache einstehen. Rückblickend lässt sich dann leicht sagen, dass der Zweck die Mittel heiligt. Aber wenn es darauf ankommt, sind die Leute nicht immer empfänglich für die Taktiken direkter Aktionen.

Doch ein Blick auf jede Kampagne, die in den letzten Jahrhunderten zu relevanten sozialen Veränderungen geführt hat, genügt um zu beweisen, dass die Menschen Probleme selbst anpacken.

Heutzutage werden die Suffragetten als Heldinnen gefeiert und ihre Taten als notwendig gerechtfertigt, um die Aufmerksamkeit zu bekommen, die sie verdienten. Im House of Commons befindet sich sogar eine Gedenktafel für Emily Wilding Davison. Damals jedoch tat man sie als „keine richtigen Frauen“ ab, weil sie nicht liebreizend und sanftmütig waren wie Frauen es „zu sein hatten“. Sie wurden dafür bestraft, die Suffragettenbewegung in ein schlechtes Licht gerückt zu haben.

Ich denke auch, dass ich mittlerweile fast alles gesetzlich Mögliche getan habe, um zu versuchen, den Klimawandel aufzuhalten. Ich habe den Energieversorger gewechselt. Ich habe aufgehört, Fleisch und Milchprodukte zu konsumieren und kaufe nichts mehr, das in Plastik verpackt ist. Ich habe damit aufgehört, neue Sachen zu kaufen (außer Fahrradschläuche) und habe Anfang letzten Jahres gelobt, nie wieder an Bord eines Flugzeugs zu gehen.

Die Fossil Free Divestment-Kampagne wächst exponentiell und hat zweifellos Auswirkungen auf die Haltung der Menschen zur Kohle-, Öl- und Gasindustrie.

Ich sehe Beweise dafür, dass Veränderungen stattfinden (schaut auf 10:10 nach, wenn ihr noch nichts bemerkt habt). Und ich weiß, dass ich zahllose Freunde dazu gebracht habe, über ihre persönlichen Entscheidungen nachzudenken – weniger Fleisch zu essen, seltener zu fliegen, auf Plastikverpackungen zu verzichten – , weil ich es ständig von ihnen gesagt bekomme. Ich will aber noch mehr tun.

Auch die Angst, etwas zu verpassen (engl.: FOMO), spielt eine Rolle. Ich will dabei sein, wenn bekannt gegeben wird, dass Kohle kein rentabler Brennstoff mehr ist. Ich will dabei sein, wenn die letzte Kohlegrube stillgelegt und das letzte mit Kohle betriebene Kraftwerk niedergerissen wird. Ich will sagen können: „Das war ich!“ Frauen verändern seit Jahrhunderten die Welt durch  direkte Aktionen und ich will ein Teil davon sein.

Macht mit!

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