Ein Bericht über die IrRWEge der Politik. Von Klimaschutz kein Wort.

Es sollte (nur) ausgelotet werden, wie die  RWE- Aktien verkauft werden können, nicht ob das auch geschieht. Denn die Aktien stecken in einem starren Konstrukt von Schachtelbeteiligungsgesellschaften. Noch starrer sind die Verflechtungen von RWE und Politik. 

Der gemeinsame Antrag von den Essener Grünen und der Linken „RWE-Aktienverkauf VORBEREITEN“ (vom 27.4.16) wurde nach kurzer Debatte im Rat VERSCHOBEN. Der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) ließ erkennen, dass er und die CDU und SPD gegen den Antrag stimmen würden und bot deswegen „interfraktionelle Gespräche“ an. Daraufhin stimmten Grüne und Linke der Verschiebung zu – wahrscheinlich um die angedrohte Abstimmungsniederlage abzuwenden. Fossil Free Essen verfolgte die Debatte und bewertet sie mit gemischten Gefühlen.

Das inhaltliche Niveau der zwei Wortbeiträge von Herrn Kufen war fragwürdig, besonders was die Börsen- und finanzpolitische Seite anging. Der OB schämte sich nicht, an seine Schulerfahrungen beim Sparkassen-Börsenspiel anzuknüpfen: „Das wichtigste, was ich da gelernt habe, ist, äußere nie deine Kauf- oder Verkaufsabsichten laut und im Vorneherein.“ Ansonsten scheint er von Aktienanlagen im Börsenspiel nicht viel verstanden zu haben, sonst hätte er ja schon längst den eklatanten Verstoß gegen die Grundregel jeglichen Aktien-Investments bemerken müssen: „Setze nie dein ganzes Geld auf einen Aktientitel – diversifiziere das Risiko.“ Exakt das Gegenteil hat Essen unter tatkräftiger Mitwirkung von Herrn Kufen mit dem Bürgervermögen gemacht: Alles Geld in RWE-Aktien gesteckt. Die Aktien wurden ausserdem in das Fundament von Schachtelbeteiligungsgesellschaften einbetoniert, um Steuern zu sparen. Häh? Die Kommune, also der Staat, beauftragt seine mit Steuergeld bezahlten Beamten Gesellschaften zu gründen, um KEINE Steuern zu zahlen, also um selbst weniger Geld zu bekommen?!? Es lohnt dieses Konstrukt mal gedanklich zu durchdringen.

Arbeitsplätze von RWE retten? Bei dem anhaltenden Kohle-Kurs des Unternehmens wohl kaum!

Ansonsten war Kufens Argumentation sehr taktisch geprägt: „Eine Stadt mit RWE-Firmensitz und vielen RWE-Arbeitsplätzen kann nicht / sollte nicht die RWE-Aktien so einfach verkaufen. Aber ich habe keine Tabus, wir können interfraktionell über alles reden.“ – Solange alles beim Alten bleibt, hätten wir von Fossil Free Essen ergänzen mögen. Eine inhaltliche Begründung, inwiefern man Arbeitsplätze retten oder schaffen oder auch den Firmensitz in Essen halten kann, indem man die vom Kurs-Skorbut befallenen Aktien eines nahezu bankrotten Konzerns entgegen aller Börsianer-Vernunft weiterhin hält, blieb Herr Kufen schuldig. Eine Begründung scheint bei einer so eingeschworenen „Wir-glauben-an-RWE-immerdar-und-allezeit“-Religionsgemeinschaft  auch nicht nötig. Da muss man nur die Zauberworte „Arbeitsplätze“ und „Firmensitz“ aussprechen, schon stellen diese Ratsherren und -frauen das selbständige Denken ein. Gerade im Sinne der vielen Beschäftigten, die aufgrund des veralteten Geschäftsmodells von RWE eine sehr unsichere Perspektive haben, ist die Stadt verpflichtet für Jobs mit Zukunft zu sorgen.

Über Klimaschutz kein Wort. Der Klimakiller RWE kann scheinbar weiter machen wie bisher, ohne dass die Politik an unsere und die Zukunft unserer Kinder denkt. 

Das schlimmste  für uns nach dieser Sitzung ist, dass über das Thema Klimaschutz gar nicht geredet wurde. In der schriftlichen Begründung des Antrags wird darauf noch eingegangen, aber während der Sitzung wurde weder über die katastrophalen Folgen des Klimawandels gesprochen, noch über die Gesundheitsschädigungen und dramatischen Umsiedelungen im Rheinland durch das Treiben des Braunkohleriesen RWE.  Immerhin: Frau Giesecke (Linke) brachte das Fossil-Free-Thema Divestment aus Klimaschutzgründen in die kurze Debatte, worauf aber niemand einging. Noch scheint das Gros der Essener Politiker*innen nicht verstanden zu haben, dass 80% der Kohle-, Öl- und Gasreserven im Boden bleiben müssen, um den Erderwärmung auf die gerade noch erträgliche 2°C zu begrenzen.

Und weiter? Hinter geschlossenen Türen. Ohne Öffentlichkeit? Nicht mit uns!

Für uns ist es sehr fraglich, was bei den „interfraktionellen Gesprächen“ in Hinterzimmern zwischen Grünen und Linken einerseits und CDU und SPD andererseits herauskommen kann, weil ein Ziel kaum zu erkennen ist. Herr Kufen scheint dagegen weiterhin in Börsenspiel-Kategorien zu denken: Vielleicht sollte man ein paar tausend Aktien der alten RWE verkaufen und mit dem Erlös Aktien der neuen RWE kaufen? (Herr Pehlke in Dortmund hat ja schon das Stichwort „Aktientausch“ ins Spiel gebracht.) Die neue RWE gibt sich ja grün, und damit kann man die Grünen leicht ruhigstellen – ganz ohne Tabus. Doch wie grün die neue RWE tatsächlich ist, wissen wir spätestens seit diesem Video von unseren Freunden bei urgewald.  Für uns ist klar: Wir bleiben dran, werden Öffentlichkeit schaffen und den Druck erhöhen. Denn wenn es falsch ist, das Klima zu zerstören, dann ist es auch falsch Aktiengeschäfte mit den Verursachern zu machen.

In diesem Sinne,
Fossil Free Essen.
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