Juni 23, 2016

Kohle, Öl und Gas tabu: Berlin zieht öffentliche Gelder von Klimasündern ab

Berlin, 23.06.2016 — Das Land Berlin hat heute mit den Stimmen aller fünf Parteien im Abgeordnetenhaus den Abzug öffentlicher Gelder aus Unternehmen beschlossen, „deren Geschäftsmodell dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht”. [1] Betroffen sind Versorgungsrücklagen von rund €750 Millionen, die für Pensionen von Beamten und Angestellten des Landes angelegt sind und unter anderem Anteile an RWE, E.ON und Total beinhalten. [2] Bis zum 1.1.2017 soll ein Finanzdienstleister die neuen Anlagerichtlinien für Berlin entwickelt und implementiert haben. [3]

Berlin schließt sich damit der Divestment-Bewegung an, zu der weltweit mehr als 500 institutionelle Anleger wie Städte, Universitäten, kirchliche Einrichtungen, Pensionsfonds und die Stiftung der Öldynastie der Rockefeller zählen. [4] Erst letzte Woche hatte Schwedens Hauptstadt Stockholm angekündigt, seine Investitionen in Kohle, Öl und Gas abzuziehen und tritt damit in die Fußstapfen von Städten wie Paris, Oslo, Kopenhagen, Seattle, Melbourne und Münster.

„Mit dem Divestment-Auftrag gibt Berlin das Signal, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist”, kommentiert Christoph Meyer von der Bürgerbewegung Fossil Free Berlin die Entscheidung. „Von der Finanzverwaltung erwarten wir nun eine konsequente Umsetzung des Beschlusses und werden den Prozess genau beobachten. Außerdem fordern wir den Senat auf, schnelle Schritte einzuleiten, die Berlin unabhängig von der Stein- und Braunkohleverstromung machen.“

Tine Langkamp von der Klimaschutzorganisation 350.org sagte: „Geschäftsmodelle, die das Klima aufs Spiel setzen und die Energiewende verzögern, sind angesichts der Klimakrise absolut inakzeptabel. Kommunen und Städte haben eine besondere Verantwortung für das Allgemeinwohl, deshalb dürfen Städte wie Berlin nicht länger Konzerne unterstützen, die uns in eine Klimakatastrophe stürzen.“

Vorbereitet wurde der heutige Beschluss durch die parlamentarische Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“. Im November 2015 hatte sie fraktionsübergreifend zu Divestment aufgerufen. [5] Beeinflusst wurde die Entscheidung maßgeblich durch die Bürgerbewegung Fossil Free Berlin, die das Thema seit Februar 2015 in die öffentlichen Diskussion gebracht hat. [6] Divestment gilt als wirksames Instrument, um die Aufmerksamkeit auf die Kohle-, Öl- und Gasindustrie als Hauptverursacher des Klimawandels zu lenken. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens die globale Erderwärmung weit unter 2℃ zu halten zu erreichen, kann nur ein Bruchteil der Kohle-, Öl- und Gasreserven der fossilen Brennstoffindustrie verbrannt werden. [7]

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Pressekontakt

Mathias v. Gemmingen / FossilFreeBerlin.org

fossilfreeberlin@riseup.net

Tine Langkamp / 350.org / Koordinatorin Fossil Free Deutschland

tine@350.org, Telefon +49 151 701 69 509

Fotos von Aktionen von Fossil Free Berlin stehen auf Flickr frei zur nicht-kommerziellen Nutzung zur Verfügung. Für andere Nutzungsrechte, wenden sie sich bitte an fossilfreeberlin@riseup.net.

Videomaterial der Aktion vom 22.6. „Divestment-Befürworter reißen ‘Berliner Mauer der fossilen Energien’ ein”: Download 1 (200 MB) & Download 2 (106 MB)

Quellen & Anmerkungen

[1] Aktueller Divestment-Beschluss des Berliner Parlaments vom 23.06.2016

[2]  Der Vermögensbestand des Sondervermögens „Versorgungsrücklage des Landes Berlin“ lag zum 30.06.2016 bei rund 743 Mio. Euro, davon waren rund 665 Mio. Euro  im Anleihesegment und rund 78 Mio. Euro  im Aktiensegment investiert. (Quelle Senatsverwaltung für Finanzen Berlin)

[3] Öffentliche Ausschreibung durch die Senatsverwaltung für Finanzen Berlin

Zum Gesamtvermögen aus dem Dokument „Leistungsbeschreibung”: „Das Gesamtvermögen der Versorgungsrücklage beträgt aktuell (Stand 31.05.2016) rd. 750 Mio. €. Bis zu 15% der Rücklage dürfen gegenwärtig im Aktienbereich angelegt werden. Der Aktienanteil könnte perspektivisch auf bis zu 25% erhöht werden.“

[4] Liste der über 500 institutionellen Anleger, die Divestment beschlossen haben

[5] Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ fordert Divestment fossiler Investitionen (Abschlussbericht Seite 98, 11.11.2015)

[6] Offener Brief und Petition der Bürgerbewegung ‘Fossil Free Berlin’ (09.02.2015)

[7] BBC: Most fossil fuels ‚unburnable‘ under 2C climate target (07.01.2015)

Über Fossil Free Berlin:

Fossil Free ist eine internationale Bürgerbewegung, die von der Klimaschutzorganisation 350.org und Bill McKibben, Träger des Alternativen Nobelpreises 2014, initiiert wurde. Weltweit sind über 500 Divestment-Initiativen von Fossil Free bekannt. Allein in Deutschland sind über 25 Kampagnengruppen aktiv und fordern Divestment an Unis, Städten, Kirchen und bei den Versorgungswerken der Presse und der Ärzteschaft.

Über 350.org:

350.org baut eine globale basisdemokratische Klimabewegung auf, die unsere Politiker*innen anhand wissenschaftlicher Fakten und Grundsätze der Gerechtigkeit zur Verantwortung ziehen kann. Online-Kampagnen, Basisorganisationen und öffentlichen Großaktionen verbinden ein globales Netzwerk, das in mehr als 188 Ländern aktiv ist. Die Zahl 350 steht für Klimasicherheit: Wir müssen laut Wissenschaft die heutige CO2-Konzentration in der Atmosphäre von über 400 ppm auf unter 350 ppm reduzieren.

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