Wie sie es vom internationalen Klima-Parkett in Paris zu lokalen Protesten gegen die Kohle-, Öl- und Gasindustrie ins Ruhrgebiet und Rheinland schaffte.
Nun, wo die Proteste gegen Investitionen in fossile Energieträger in Deutschland an Fahrt aufnehmen, dachte ich mir, ich erkläre, wie es begann und wo es hin führt.
Ein Bericht von Gary Evans von Divest Aachen, Teil der 350.org Fossil Free Bewegung.
Übersetzung Lea Heuser. Fotos, wenn nicht anders genannt Gary Evans.
Paris, Frankreich
Was sollen wir damit machen? Ich sitze auf einem Haufen von aufgerolltem, rotem Stoff in einem alten Krankenhauskomplex im Zentrum von Paris. Leute sind überall verstreut. Wir haben die ganze Nacht gefeiert, nachdem Staatsoberhäupter der Welt das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, um im Dezember 2015 das Problem des Klimawandels anzugehen.
Ein paar Tage zuvor war ich mit meinem großen, schwarzen Schäferhund Akiro und zwei weiteren Aktivist*innen angekommen. Paris war grau, kalt und brechend voll mit Menschen aus der ganzen Welt. Alle Formen des Protests waren nach den Terroranschlägen vor nur wenigen Wochen von der Regierung verboten worden. Es fühlte sich seltsam an, plötzlich mitten in einer so überfüllten Großstadt im Ausnahmezustand zu sein. Zum Glück bot uns das Krankenhausgelände, wo wir unsere Zelte aufstellen durften, einen sicheren Haven zum Entspannen und einen Ort, um andere Aktivist*innen zu treffen, während wir uns auf die rote Linien Demo am Ende der Klimakonferenz vorbereiteten. Zu diesem Zeitpunkt waren alle Demonstrationen in ganz Frankreich verboten.
Am Tag der Demo zogen wir los und in die Pariser Metro. Akiro trug eine leuchtend rote Jacke und einen Maulkorb, um Ärger mit der Polizei zu vermeiden. Überall in der Stadt gab es inoffizielle Demos, während wir in hoffnungsvoll unauffälligen Gruppen in Richtung Zentrum zogen (wir trugen alle rote Kleidung und sahen aus, wie ein mobiler Weihnachtsmarkt)
Kurz vor unserer Ankunft hörten wir, dass die Demo in letzter Minute genehmigt worden war. Wir werden niemals erfahren, wie viele Menschen sich wegen des Verbots entschieden hatten, nicht teilzunehmen, aber 40.000 Menschen waren da. Unsere 100 Meter lange rote Linie wurde mit vielen weiteren als emotionales und friedliches Ereignis auf der Straße ausgebreitet. Spontan beschlossen wir, vom Arc de Triumphe zum Eiffelturm zu ziehen, um auf der Brücke zum Turm eine Sitzblockade einzulegen. Hier erfuhren wir, dass das Pariser Abkommen verabschiedet worden war, mit dem ambitionierten Ziel, die globale Erwärmung auf 2°C zu begrenzen und der Rede vom Versuch, eine Grenze von 1,5°C einzuhalten. Viele von uns waren skeptisch, aber zumindest hatten wir eine Einigung erreicht. Die Herausforderung war nun, die nötigen Veränderungen zu verankern.
Als wir Paris am nächsten Tag verließen, sammelte ich die zusammengerollte rote Linie ein, die nass, dreckig und schwer war. Niemand wollte sie haben oder wusste, was wir damit tun sollten. Also nahm ich sie mit nach Aachen, wo sie bei mir zu Hause eine Weile herumlag.
Zurück aus Paris. Die wichtige Verknüpfung von internationalen und lokalen Kämpfen gegen die fossile Industrie.
Zurück aus Paris war ich scharf darauf, Politiker*innen den Schließungen der Braunkohletagebaue in unserer Region zustimmen zu sehen. Aber natürlich hatte sich an der Basis nichts verändert. RWE war immer noch damit beschäftigt, einen uralten Wald abzuholzen, um weiter nach Braunkohle zu graben. Wir mussten handeln. Als ich die rote Linie aus Paris erwähnte, verstand niemand wirklich ihre Bedeutung oder den potentiellen symbolischen Wert. Für mich selbst hatte ich längst die Verbindung hergestellt, da ich die Ereignisse im Vorfeld der Paris Demo verfolgt hatte. Laut dem Centre for Research on Globalization sind “ökologische rote Linien“ ein Basislevel ökologischer Gesundheit, das erhalten werden muss.
Ich erwähnte die rote Linie wieder, als wir bei einem Treffen nach Ideen suchten, um Druck auf lokale Politiker*innen auszuüben und sie zum Divestment öffentlicher Gelder aus RWE, dem Betreiber der Braunkohletagebaue, zu bewegen. Inzwischen arbeiteten wir mit Greenpeace zusammen und entschieden uns,, die rote Linie in Form des in Paris vereinbarten 1,5°C-Ziels auszurollen.
Über unsere Demo wurde in den lokalen Medien wie Zeitungen und Fernsehen breit berichtet. Plötzlich nahmen die Autoritäten uns zunehmend ernst. Seitdem ist die rote Linie in einer Demo benutzt worden, um einen alten Wald an der Kante eines Braunkohletagebaus zu schützen. Sie war in Düsseldorf und Dortmund und heute wurde sie bei einer großen Demo in Köln entrollt.
Etwas so Einfaches wie ein (langes) Stück Stoff ist zu einem kraftvollen Symbol dafür geworden, dass die Verbrennung fossiler Energieträger aufhören muss. Wir hoffen inständig, dass deutsche Politiker*innen den Sinn einsehen und diese Tagebaue schließen, denn ich habe es fürs Erste satt, rot zu sehen.
Wohin wird die rote Linie nun führen? Beteiligt euch an der Divestment-Kampagne in eurer Region und werdet Teil der Bewegung für eine Veränderung.
Anmerkungen und links:
17. November 2016: Die rote Linie erreicht Dortmund. Hier ein kurzes Video:
Film „Beyond the Red Lines“:
http://www.cinerebelde.org/beyond-the-red-lines-p-128.html?language=en
COP21: Antimilitarist*innen in der rote Linien Demonstration in Paris:
https://www.wri-irg.org/en/node/25373
Mai 2016, rote Linien Proteste in Wales:
https://www.theguardian.com/environment/2016/may/03/climate-protesters-invade-uks-largest-opencast-coal-mine
Definition des Centre for Research on Globalization:
“Ökologische rote Linien” (ein Basislevel ökologischer Gesundheit, das erhalten werden muss)
http://www.globalresearch.ca/
Kontakt:
Gary Evans
Divest Aachen
divestaachen[AT]gmx.org