Ein Text von Jonathan Nylander, Klimacamp-Teilnehmer aus Schweden

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Nach drei Stunden neben diesem Kohletagebau taten meine Lungen tagelang weh. Die Luft ist dort übler als in Peking und ich weiß, wovon ich spreche.

Die letzten zehn Tage habe ich in einem Aktivistencamp verbracht, das an einen Kohletagebau im Rheinland angrenzte. In dem Tagebau wird Braunkohle abgebaut, die schmutzigste Energiequelle überhaupt. Der Tagebau ist auch nur deshalb noch in Betrieb, weil es sich für die Landesregierung kurzfristig rentiert, wenn auch auf Kosten zukünftiger Generationen. Im Raum Köln wurde ein brandneues Erdgaskraftwerk zur Bereitstellung von Reservestrom für erneuerbare Energien gebaut, das derzeit jedoch nicht genutzt wird. Es ist nämlich ein wenig billiger Braunkohle zu verbrennen als Erdgas, obwohl Erdgas noch der sauberste der fossilen Brennstoffe ist.

Der Tagebau stößt auch Quecksilber aus. Das ist bekanntermaßen giftig, mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Allerdings könnte man diese Emissionen vermeiden, so wie es in Tagebauen in den USA Praxis ist. Wenn man die Kohle vor dem Verbrennen mit bestimmten Chemikalien besprüht, bleibt das Quecksilber in der Asche und gerät nicht in die Luft. Trotzdem wird es hier nicht gemacht. Und warum? Weil es pro produziertem Kilowatt Elektrizität etwa 0,001 Cent kosten würde. Der Kohletagebau soll nun erweitert werden. In der Folge würden eine Handvoll Dörfer zerstört und die Anwohner*innen zum Umsiedeln gezwungen. Alte Kirchen werden abgerissen und die Menschen gezwungen, ihre verstorbenen Angehörigen aus den Gräbern der Friedhöfe vor Ort auszugraben.

Und all das nur, weil Kohle ein wenig billiger ist. Das ist so unglaublich dumm und es gäbe noch mehr Negatives zu berichten, aber ich belasse es dabei. Weil ich nicht darüber sprechen möchte, was schief läuft. Ich möchte über das sprechen, was großartig ist.

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Letzte Woche haben ungefähr tausend Aktivist*innen im Klimacamp zusammengelebt. Dort konnten wir an Workshops teilnehmen, voneinander lernen, Spaß haben und gemeinsam klimaschädliche Infrastruktur stilllegen.

3Unser Camp lief mit 3000 Watt Solarenergie und 1500 Watt Windenergie. Die Anlagen dafür wurden komplett von Freiwilligen errichtet. Während des Camps wurde auch eine 600 Watt Windturbine gebaut. Teilnehmer*innen, die alleine anreisten, wurden in Gruppen willkommen geheißen und fanden schnell ihren Platz in der Nachbarschaft. Eine Großküche, die von Freiwilligen geleitet wurde, bekochte alle im Camp mit leckerem veganen Essen. Die Kosten wurden über Spenden getragen. Wahrscheinlich jede*r im Camp half irgendwann einmal dem Küchenteam beim Gemüseschnippeln oder Abwaschen. Durch Nachbarschaftstreffen und große Plenarsitzungen hatte jede*r im demokratischen Prozess eine Stimme und Einfluss auf die Verhältnisse im Camp. Für alles Nötige gab es Zelte: Informationen, Internet, Rechtsberatung, medizinische Versorgung, Lehrmaterialien. Ich habe mit Menschen aus unterschiedlichsten Nationen und diverser Herkunft Frisbee gespielt, was mir erst jetzt beim Schreiben wirklich auffällt. Vor Ort gab es Komposttoiletten, die trocken und nass trennen. Dadurch entsteht kein Geruch und der Abfall kann nach 6 Monaten als Dünger weiterverwertet werden. Die Leute haben ihre Fahrräder mit anderen geteilt. Die Duschen waren aus Holz und biologisch abbaubare Seife wurde bereitgestellt: Kein Gift gelangte in den Boden.

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Freiwillige hielten Workshops zu einer Vielzahl an Themen rund ums Motto „Degrowth“ (Postwachstum), eine „politische, wirtschaftliche und soziale Bewegung, die auf ökologischer Wirtschaft, konsumkritischen und kapitalismuskritischen Ideen beruht.“ Es gab sehr schwierige und herausfordernde Debatten über Privilegien, Neokolonialismus, nachhaltige und gleichzeitig erstrebenswerte Lebensweisen und andere Themen. Diskussionen, zu denen es selten kommt, weil die Themen unbequem sind.

Wir haben von Natur aus Scheu vor Veränderung und wissen dennoch, dass sie notwendig ist. Aber hier stehen wir, experimentieren, spielen und probieren die Alternativen mit den wenigen Ressourcen aus, die wir haben. Und es funktioniert! Und es funktioniert nicht nur, es ist auch schön!

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Nach etwa 7 Tagen im Camp ging ich in eines der halbverlassenen Dörfer, um in einer Bank Geld für Spenden abzuholen. Wir stellten draußen unsere Räder ab und traten in den rechteckigen Raum ein: Kahle, weiße Wände, schwarze Fliesen und vor uns zwei Geldautomaten.

Mein Freund bemerkte den Spiegel an einem der Geldautomaten und sagte: „Sehe ich jetzt wirklich so aus? Was für eine coole Technik“. Wir mussten lachen, als wir versuchten, alle unser Spiegelbild zu erhaschen. Ich wette die Leute, die die Kameras überwachen, werden leicht verwirrt sein. Ich habe mich gebückt, um mit meiner Hand so über den Boden zu streichen, wie ich das auf dem Grasboden im Camp tat. Da fiel der Groschen: In nur 7 Tagen sind grasbewachsene Böden meine neue Norm geworden. Missbilligend hob ich meine Hand.

Wir mögen von Natur aus keine Veränderung, aber wir Menschen sind anpassungsfähig. Hör auf dir über alte Gewohnheiten Sorgen zu machen und werde Teil des Wandels! Es ist das beste, was ich getan habe. Ich empfehle es zu 100 % weiter.

Willst du mitmachen? Das kannst du konkret tun:

  • Verpflichte dich,daran mitzuwirken, dass fossile Brennstoffe im Boden bleiben.
  • Mach mit beiEnde Gelände 2017, einem großen Aktionscamp mit dem Ziel, den Kohleabbau zu stoppen.
  • Schließ dich der Divestment-Bewegung an.
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