Gary war beim Klimacamp und während der Ende Gelände Aktion im pinken Finger.
Hier sein Erfahrungsbericht.

Wofür sind die Atemmasken?“
Die schützen deine Lungen vor dem Staub in der Grube.“

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Ich bin gerade eben auf dem Klimacamp angekommen, das direkt neben den riesigen Braukohlegruben in Nordrhein-Westfalen liegt, wo wir am nächsten Tag mit der Ende Gelände Massenaktion die Arbeit zum Stillstand bringen wollen. Das Camp summt vor reger Geschäftigkeit. Menschen aus ganz Europa sind hier zusammen gekommen, um ein klares Statement zu setzen: Stopp den Klimakiller Kohle!

Unsere Organisation, Divest Aachen ist eine von vielen Fossil Free Gruppen, die sich an der Aktion beteiligen. Und noch so viele andere Menschen sind hier: Mit etwa 1500 Aktivist*innen ist „Ende Gelände“ die größte Aktion zivilen Ungehorsams gegen Kohle in der Geschichte Deutschlands.

Als erfahrener Campaigner erkenne ich viele Gesichter wieder, aber was mich wirklich umhaut, ist die Menge junger Menschen im Camp. Ich stehe gerade am Eingang, als eine große Fossil Free Gruppe aus Großbritannien ankommt. Davor war ich schon den Schweden in die Arme gelaufen, eine weitere große Gruppe junger Divestment-Aktivist*innen, die alle zum ersten Mal bei einer großen Aktion dabei sind. Immer mehr bekannte Gesichter tauchen auf: Freundinnen und Freunde, die ich beim Fossil Free Skillshare Workshop in Eindhoven vor ein paar Wochen kennengelernt habe. Journalist*innen und Blogger*innen von 350.org befinden sich auch schon vor Ort und organisieren sich geschäftig im Pressezelt. Andere Journalist*innen von deutschen und internationalen Medien sind damit beschäftigt, dieses monumentale Event in der Welt zu verbreiten.

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Heather referiert über Teersand-Kohlebomben in Kanada

Beim Abendessen im Camp treffe ich Heather, Angehörige der First Nations Kanadas. In Solidarität mit unserem Anliegen hatte sie eine Rede über die Teersand-CO2-Bomben gehalten.

In dem Moment wird mir klar, dass wir gerade ein Zusammentreffen positiver Energien miterleben, das echte Veränderungen bewirken kann!

 

 

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Dampfwolken über dem Kraftwerk Garzweiler

Zurück in meinem Zelt bin ich aufgeregt und nervös, ich kann nicht schlafen. Um 4 Uhr morgens beginnt ein Polizeihubschrauber über dem Camp zu kreisen. Ich stehe auf, schnappe mir meine Kamera und fange die dunklen Dampfwolken ein, die sich über dem Kraftwerk Garzweiler in den Himmel schrauben. Polizist*innen sitzen mir auf der anderen Straßenseite in ihren Vans gegenüber – Spannung liegt in der Luft wie kurz vor einem gewaltigen Gewitter.

 

 

Ich schließe mich dem Team von Fossil Free Switzerland im „Pinken Finger“ an, einer von vier Gruppen von je etwa 300-400 Aktivist*innen. Wir marschieren los in Richtung der Grube, viele von uns haben Strohsäcke dabei. „Wozu sind die gut?“ frage ich. „Die schützen uns vor den Schlagstöcken der Polizei“, schallt die fröhliche Antwort zurück. Ich packe mir einen und wir ziehen Richtung Immerath, ein verlassenes Dorf, das sich ebenso am Rand der Grube als auch am Rande der Zerstörung befindet.

Immerath

Immerath

 

All die Flüchtlinge kommen mir in den Sinn, die auf der verzweifelten Suche nach einem Dach über dem Kopf sind und gleichzeitig habe ich den Wahnsinn dieses riesigen Lochs vor Augen. Warum graben wir Löcher, anstatt Brücken für eine bessere Zukunft zu bauen?

 

 

 

 

Wir erreichen die erste von fünf Überführungen, die die Autobahn überqueren – das größte Hindernis auf dem Weg in die Grube. Die Bereitschaftspolizei erwartet uns bereits mit gepanzerten Fahrzeugen, Pfefferspray und Schlagstöcken (Video).

Unverzüglich attackiert sie unsere Frontlinie, setzt die meisten außer Gefecht. Wir formieren uns neu und bewegen uns schnell zur nächsten Brücke, wo wir mit der gleichen Gewalttätigkeit erwartet werden. Keine Polizist*innen sind in der Ferne an der dritten Brücke aufgestellt, weswegen wir eiligst dorthin rennen.

 

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Aktivist*innen und Polizist*innen auf Konfrontation

 

Während wir voranpreschen, kommen immer mehr Polizeikräfte auf der Brücke an. Sie zielen mit Pfefferspray auf die Augen aller, die sich nähern. Ich renne direkt auf einen Polizisten in Schutzanzug zu. Er zielt und feuert. Ich habe Glück, dass das Spray mein Gesicht nur seitlich trifft und nicht die Augen. Andere liegen auf der Straße, offensichtlich unter Schmerzen. Ich renne weiter und rutsche über den Rand der Grube hinunter ins Loch, läppische 200 Meter entfernt.

Mir ist heiß, ich bin außer Atem und schwitze. Das Pfefferspray brennt auf meiner Haut. Es fühlt sich an, als hätte jemand Chilli auf einen Sonnenbrand geschüttet. Diejenigen, die nichts mehr sehen können oder von Schlagstöcken verletzt wurden, bekommen Hilfe von den Unversehrten. Endlich gelangen wir in die Grube, mit haufenweise Polizei im Schlepptau. Die Polizist*innen sehen nicht weniger mitgenommen und verschwitzt aus als wir. Werden sie uns in der Hitze des Gefechts von hinten angreifen? Wir rennen weiter.

 

"Mordor"

„Mordor“

 

Vor mir erstreckt sich die Kulisse von Mordor als ein Polizeihubschrauber auf uns niederstößt und damit gleichermaßen das Leben von Aktivist*innen und Polizist*innen gefährdet. Kohlestaub nebelt uns ein. Der Polizeikonvoi überholt uns, erschöpft höre ich auf zu rennen. Um mich herum herrschen ähnliche Gefühle. Wir sammeln uns und ziehen Bilanz aus unserer Situation.

Da der Weg nach vorne blockiert ist, machen wir uns auf zurück zum Camp. Andere haben inzwischen die riesigen Maschinen in der Grube erreicht und Banner ausgerollt. Damit haben wir unser unmittelbares Ziel erreicht: Wir haben die Mienenarbeiten zum Stillstand gebracht!

Gerade als wir auf dem Weg raus aus der Grube sind, kommt eine Polizeieinheit auf uns zu, kesselt uns ein. Zum Glück mischt sich ein Journalist des WDR ein. Sein Interview mit uns wird direkt im Anschluss veröffentlicht. Die Welt weiß jetzt von unserem Erfolg und dem vergeblichen Bemühen der Polizei und von RWE, unseren friedlichen Protest gewaltsam zu stoppen.

 

Und jetzt? Wir freuen uns auf unseren Marsch durch Paris im Dezember! Viele neue Aktivist*innen sind nach dieser Aktion gestärkt und blicken kraftvoll nach vorne, dank der wunderbaren Solidarität im Angesicht der Unterdrückung. Ghandi wäre voller Zustimmung.

Schließ Dich der Divestement-Bewegung an oder werde Teil einer der vielen anderen Gruppen, die sich darauf vorbereiten aufzustehen und sich gegen die bestehenden Machtverhältnisse aufzulehnen. Die Politiker*innen in Deutschland und anderswo haben versagt, deswegen ist es an der Zeit, dass wir selbst etwas unternehmen, gegen den verheerenden Klimawandel!

Zusammen sind wir die Veränderung, die wir in der Welt sehen wollen.

Gary Evans
von der Fossil Free Gruppe DivestAachen

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